If Beale Street Could Talk

Die Beale Street liegt im Zentrum von Memphis in Tennessee. Die ersten Blues Songs sind hier entstanden und über die Jahrzehnte traten hier Jazzgrößen wie Louis Armstrong und Muddy Waters auf. Eine ausgelassene Stimmung, Kriminalität und Spannungen zwischen der schwarzen und irischen Bevölkerung bestimmten den Alltag. Barry Jenkins hat nach Moonlight (2016) nun ein Werk des US-Autors James Baldwin (1924-1987) verfilmt. Der dem Film zugrunde liegende Roman If Beale Street Could Talk aus dem Jahr 1974 ist dieser berühmten Straße gewidmet und erzählt von einer jungen Liebe und der Willkür der weißen Justiz im New York City der 1970er Jahre. Die Beale Street konnte für Baldwin überall sein. Er bezeichnete die Straße als das Erbe aller in Amerika geborenen Schwarzen.

Darum geht es

Der 22-jährige Bildhauer Alonzo Hunt (Stephan James), genannt Fonny, und die 19-jährige Verkäuferin Tish (KiKi Lane) sind ein Liebespaar. Eines Tages wird Fonny fälschlicherweise beschuldigt, eine Puertoricanerin vergewaltigt zu haben. Er muss ins Gefängnis. Kurz darauf erzählt ihm Tish, dass sie schwanger ist. Ungeachtet der Situation, ist sie davon überzeugt, dass Fonny aus dem Gefängnis entlassen wird, bevor das Kind geboren wird. Während Tishs Familie (Regina King wurde für ihre Rolle der Mutter von Tish mit dem Oscar für die Beste Nebendarstellerin ausgezeichnet) und Fonnys Vater mit allen Mitteln versuchen, ihn frei zu bekommen, vergehen die Monate. Die Mühlen der weißen Justizwillkür beginnen zu mahlen und der Prozess wird immer mehr verschleppt.

If Beale Street Could Talk
Regina King erhielt für ihre Rolle den Oscar für die Beste Nebendarstellerin.

Kommentar

In Rückblenden und betörend schönen Bildern (Kamera: James Layton) erzählt Barry Jenkins diese Geschichte einer berührenden Liebe aus der Sicht von Tish und von den Ungeheuerlichkeiten, mit denen das Leben von Schwarzen zu dieser Zeit verbunden war – und durch institutionellen Rassismus heute noch immer ist. Eine tolle Ausstattung in warmen Farbtönen (Manchmal auch etwas zu viel, wenn etwa das Kleid zu den Vorhängen passt) und die wunderbare Musik von Nicholas Britell vervollständigen diesen zwar stillen aber in seinem Innersten laut aufschreienden Film.

Beale Street hat es nicht leicht, wird er doch zwangsläufig mit seinem grandiosen Vorgänger Moonlight verglichen. Jenkins‘ erst dritter Spielfilm braucht den Vergleich aber nicht zu scheuen und steht für sich. Dass er bei den Oscars übergangen wurde, obwohl es noch freie Plätze in der Kategorie Bester Film gegeben hat, ist unverständlich. Mit Barry Jenkins hat Hollywood einen großen Regisseur gewonnen, von dem wir uns noch mehr Filme erhoffen dürfen, die, egal wann und wo sie spielen, eine große Aktualität aufweisen.

Dank des Dokumentarfilmes I Am Not A Negro (2016) von Raoul Peck und nun Beale Street wird der zu unrecht in Vergessenheit geratene Autor James Baldwin bei uns gerade wiederentdeckt. Seine vergriffenen Romane erscheinen nun nach und nach in neuer Übersetzung auf Deutsch.

Beale Street ist wie eine melancholische Vinyl-Schallplatte. Viele Szenen wirken wie einem Cover entsprungen. Ein Film der trotz aller Tragik nie die Hoffnung verliert und an die Kraft der Liebe glaubt – und die der Poesie.

Beale Street / OT: If Beale Street Could Talk

Drama, USA 2018 
Regie Barry Jenkins
Drehbuch Barry Jenkins nach dem gleichnamigen Roman von James Baldwin
Kamera James Laxton
Schnitt Joi McMillon, Nat Sanders
Musik Nicholas Britell
Mit Kiki Layne, Stephan James, Regina King
Länge 117 Minuten
derzeit bei Netflix


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