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Einmal mehr erinnert eine parabelhafte Erzählung daran, wie leicht eine moderne fortschrittliche Gesellschaft in den Totalitarismus abrutschen kann. Feindbilder werden geschaffen um vom eigenen Unvermögen abzulenken, sich nicht den wahren Herausforderungen des Zusammenlebens stellen zu können. In Wes Andersons zweitem Stop-Motion-Trickfilm geht es den Hunden einer Megastadt im Japan der nahen Zukunft an den Kragen. Ein politischer Trickfilm für Groß und Klein.

Die Hundegrippe breitet sich unter den treuesten Freunden des Menschen aus. Der korrupte Bürgermeister Kobayashi von Megasaki City verbannt die Hunde kurzerhand auf Trash Island, eine riesige Mülldeponie in der Bucht vor der Stadt. Spot, der Hund seines Ziehsohnes Atari wird als erster deportiert. Ein paar Monate später, die Insel ist in der Zwischenzeit von verwahrlosten Hunden bevölkert, macht sich Atari auf die Suche nach seinem geliebten Gefährten. Dabei trifft er auf ein Rudel Mischlingshunde (gesprochen von Andersons All-Star Cast), die ihn auf seiner Reise begleiten.

Trotz Kommunikationsproblemen. Während das Bellen der Hunde zum besseren Verständnis (so steht es im Vorspann) ins Englische übersetzt wurde, spricht Atari Japanisch. Atari weiß noch nicht, dass seine Reise weitreichende Konsequenzen mit sich bringen wird. Als die Öffentlichkeit in der Stadt von Ataris Vorhaben erfährt, formiert sich Widerstand gegen das Regime.

Die Insel selbst gleicht einem Internierungslager: hinter Zäunen türmen sich graue Müllberge auf, überall verwahrloste und halbverhungerte Hunde. Diese an sich düstere Welt wird durch den zum Markenzeichen von Anderson gewordenen visuellen Stil und seinem schrulligen Humor konterkariert. Wie gewohnt sind die an Tableau vivants erinnernden Bilder bis ins kleinste Detail durchkomponiert. Es sind die Detailverliebtheit und die große Empathie, die Anderson für seine Charaktere aufbringt, die seine Arbeiten zu einem Genuss werden lassen. 144.000 Standbilder waren notwendig, um den Film mit einer Laufzeit von rund 100 Minuten fertigzustellen. Die längste Einstellung dauert 80 Sekunden und dafür wurden 15 Wochen Arbeit aufgewendet. Stop-Motion ist immer mit Superlativen verbunden.

Die Entscheidung, die Geschichte in Japan spielen zu lassen, hat Anderson einiges an Kritik eingebracht. Seine Sichtweise sei von Stereotypen geprägt und gerade die historische Perspektive des Verhältnisses von USA und Japan eine sensible Angelegenheit. Mag sein, dass in seiner Darstellung des japanischen Archipels wenig Platz für eine differenzierte Betrachtungsweise ist. Das Anderson-Universum war aber immer ein märchenhaftes, wie zuletzt die Republik Zubrowka, irgendwo südlich des  Sudetenwaldes in The Grand Budapest Hotel (2014).

Ein schwermütiger Trommelrhytmus durchdringt den gesamten Film und bleibt auch danach im Gedächtnis. Alexandre Desplats Soundtrack ist eindringlich, bedrohlich und witzig zugleich. Egal was dieses Jahr noch bringen wird, bei den Oscars 2019 werden die Trommler wieder zu hören sein.

Während durch Spektakelfilme anderswo Ressourcen verschwendet werden, konzentriert Wes Anderson kreative Kräfte um seinen unverwechselbaren Stil zu schaffen. Isle of Dogs hat zu Recht als erster Animationsfilm die diesjährige Berlinale eröffnet. Eine Ode an Freundschaft und Toleranz.

 

Wes Anderson | USA/D 2018 | 101 Min | 4 out of 5 stars

© Fotos 20th Century Fox

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