LE MANS 66 Ford v Ferrari

Während sich die einen in scheppernden Blechbüchsen ins All schießen ließen, versuchten andere in der horizontalen technische Rekorde aufzustellen und blieben zumindest bis sie in einer Kurve abhebten auf dem Boden. Der Motorrennsport war noch ein unmittelbares Ereignis. Bis in die 1960er Jahre konnten die Zuschauer den Fahrtwind der vorbeirauschenden Autos spüren und standen direkt an der Stecke. Pioniergeist lag in der Luft. Zu dieser Zeit startete Ford den Versuch, die jahrelange Erfolgswelle von Ferrari in Le Mans zu stoppen. Die Scuderia Ferrari hatte das Rennen seit 1960 in jedem Jahr gewonnen. Le Mans 66 erzählt nun eine wahre Geschichte, deren Ausgang wohl nur Motorsportfans kennen dürften.

Am Anfang stand das Angebot von Ford, den wirtschaftlich schwächelnden Automobilhersteller Ferrari zu übernehmen. Hintergedanke war der, dass Ford in den Motorsport einsteigen wollte und Ferrari der größte Konkurrent war. Die Bedingungen von Ford entzürnten Enzo Ferrari und er lehnte ab. Fiat kam zum Zug. Auch wenn Regisseur James Mangold hier den Zeitablauf etwas durcheinander bringt, bedeutet das in Le Mans 66 den Beginn für einen Wettlauf um den Sieg beim legendären Langstreckenrennen im Jahr 1966. Ford engagiert dafür den ehemaligen Rennfahrer und nunmehrigen Konstrukteur Carroll Shelby (Matt Damon). Shelby wählt Ken Miles (Christian Bale) als Werksfahrer.

Der Grundkonflikt spielt sich nicht zwischen Ford und Ferrari ab, sondern innerhalb von Ford selbst. Vizepräsident Leo Bebe (Josh Lucas) ist die Zusammenarbeit mit Shelby und vor allem dem Fahrer Miles ein Dorn im Auge. Miles gilt als unberechenbar und dem Image der Marke nicht zuträglich. Henry Ford II (Tracy Letts) hat nicht immer die Kontrolle über seine Firma oder wie Enzo Ferrari (Remo Girone) richtig bemerkt: Er ist nicht Henry Ford, sondern Henry Ford II und damit weit entfernt vom Pioniergeists seines Großvaters oder dem von Ferrari selbst. Le Mans 66 handelt vom Kampf Shelbys, seine Strategie gegenüber den Auftraggebern durchzusetzen.

Ken Miles ist der einzige mit einer Hintergrundgeschichte. Es ist auch der spannendste Charakter und Christian Bale das Zentrum des Films. Seine Darstellungskraft und Wandlungsfähigkeit ist neuerlich beeindruckend. Darüber hinaus hätte man doch gerne mehr über die Beteiligten erfahren. Carroll Shelby ist nicht mehr als der Mittelsmann zwischen den Managern von Ford und seinem Fahrer Miles. Die Italiener im Film verkommen leider überwiegend zu Karikaturen und müssen für die Lacher sorgen. Alleine der legendäre Enzo Ferrari sticht etwas hervor. Die Leidenschaft Ferraris für den Motorsport steht dem purem ökonomischem Kalkül bei Ford gegenübergestellt.

Der Film versucht ansatzweise zu vermitteln, was es benötigt um ein schnelles Auto zu bauen. Oder besser: ein Auto, das schneller ist als alle anderen. Die Rennszenen sind spektakulär und man sollte sie sich auf der großen Leinwand nicht entgehen lassen. Optisch gibt der Film einiges her. Eine Einstellung ist schöner als die andere (Kamera: Phedon Papamichael). Durch die Mischung aus Rennsport und Drama kann Le Mans 66 (wie schon Rush, 2013) ein großes Publikum begeistern. Gerade wegen des tragischen Schicksals von Miles, der 1966 seine erfolgreichste Saison fuhr. Selbst wenn man sich vor und nach den 2 1/2 Stunden nicht für Autos interessieren mag, macht der Film durchaus Spaß. Mit seinen 4 Oscar Nominierungen (auch Bester Film, allerdings keine Nominierung für Bale) gehört er aber eher in die Kategorie lucky-to-be-there.

JAMES MANGOLD | LE MANS 66 – GEGEN JEDE CHANCE (OT: Ford v Ferrari) | USA 2019 | 153 MIN | 4 out of 5 stars


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