Little Women

Lady Bird, das großartige Erstlingswerk des Multitalents Greta Gerwig von 2017, entpuppt sich nun ein weiteres Mal als Glücksfall. Zu Little Women, nach dem gleichnamigen Roman von Louisa May Alcott aus dem Jahr 1868, hatte sie bereits das Drehbuch verfasst. Nun bekam Gerwig auch die Möglichkeit, den Film selbst zu inszenieren. Sie rührte in der Chronologie der Geschichte ordentlich um und schüttelte den alten Stoff kräftig durch, um ihn von jeglichem Staub der Zeit zu befreien. Das Ergebnis ist ein erfrischend aktueller Film, mit einer herausragenden Besetzung, über die Emanzipation von vier Schwestern im 18. Jahrhundert.

Die Geschichte ist gegen Ende des amerikanischen Bürgerkriegs angesiedelt. Josephine March (Saoirse Ronan) lebt mit ihren drei Schwestern Margaret (Emma Watson), Amy (Florence Pugh), Elisabeth (Eliza Scanlen) und ihrer Mutter Marmee (Laura Dern) in New England. Der Vater (Bob Odenkirk) befindet sich noch im Krieg. Die Wünsche und Träume der jungen Frauen prallen auf die gesellschaftlichen Erwartungen der damaligen Zeit. Vorrangiges Ziel soll es sein, eine gute Partie zu machen, also reich zu heiraten. Vor allem Josephine, genannt Jo, stellt sich gegen diese Konventionen und möchte ihren eigenen Willen durchsetzen. Sie steht im Zentrum der Erzählung. Als Alter Ego der Autorin May Alcott möchte sie Schriftstellerin werden und versucht ihre Geschichten dem Verleger Mr. Dashwood (Tracy Letts) zu verkaufen. Für ihn ist eines wichtig: Die weiblichen Figuren müssen am Ende entweder verheiratet oder tot sein. Das passt Jo so überhaupt nicht in ihre Vorstellungen.

Florence Pugh als Amy in LITTLE WOMAN (2019)

Bald müssen die vier bemerken, wie schwierig es ist, ihre Vorstellungen vom emanzipierten Leben umzusetzen. Damit kommt am ehesten noch Margaret zu recht, die sich mit der Rolle der Mutter in der Familie abzufinden weiß und dabei auf eine Karriere als Schauspielerin verzichtet. Amy, die für einige Zeit ihre Tante (Meryl Streep) nach New York begleitet, macht dort erste Bekanntschaften mit Männern und möchte Malerin werden. Elisabeth ist das Nesthäkchen und leidenschaftliche Klavierspielerin. Auch wenn die Unterschiede mit zunehmenden Alter größer werden, tut das dem Zusammenhalt der unterschiedlichen Schwestern keinen Abbruch.

Saorise Ronan und Timothée Chalamet in LITTLE WOMEN (2019)

Der Nachbarsjunge Laurie (Timothée Chalamet) verdreht nicht nur dem Kinopublikum den Kopf. Das Raunen im vollen Kinosaal bei seinem ersten Auftritt ist nicht zu überhören. Er gilt zurecht als einer der großen Begabungen unter den derzeitigen Jungschauspielern. Im Film gilt sein Interesse Jo. Da sie sich mit Rollenclichés aber überhaupt nicht abfinden mag, erfährt er immer wieder Zurückweisungen. Little Women ist aber kein Spiel um Intrigen und Leidenschaften, wie man es sonst aus Filmen des Genres kennt, sondern vielmehr ein Feelgood Movie mit Tiefgang, in dem die Männer zu charmanten Nebendarstellern werden und die Interessen der Frauen alleine im Mittelpunkt stehen.

Emma Watson, Saorise Ronan , Eliza Scanlen und Florence Pugh in LITTLE WOMEN (2019)

Gerwig entschied sich dazu, die Geschichte nicht chronologisch zu erzählen. Durch die ständigen Sprünge zwischen zwei Zeitachsen fordert sie ihr Publikum etwas aber gleichzeitig verleiht das der Geschichte die nötige frische und erhöht gleichzeitig die Aufmerksamkeit. Der Stoff, der schon mehrmals verfilmt wurde (zuletzt: Betty und ihre Schwestern, 1994), wird dadurch nur interessanter.

Es gab schon lange keinen Film, in dem die Lebensfreude der Charaktere so auf das Publikum übergesprungen ist. Little Women kommt nur im ersten Moment im Gewand eines Kostümfilms daher. Obwohl das Kostümdesign, genauso wie die Kamera von Yorick Le Saux, bemerkenswert ist. Es ist eine sanfte Erneuerung des Stoffes, die Gerwig vorgenommen hat und den Film modern und geradezu zeitlos macht und sie selbst zu einer der spannendsten Regisseurinnen Hollywoods. Bei den Oscars wurde das vorerst mit 6 Nominierungen honoriert, unter anderem in der Kategorie Bester Film. Für das Drehbuch darf sich Gerwig durchaus Chancen ausrechnen.

GRETA GERWIG | LITTLE WOMEN | USA 2019 | 135 MIN. | 4.5 out of 5 stars


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