*** Local Caption *** Lucky, John Carroll Lynch, USA 2017, V’17 Spielfilme

Lange vor Harry Dean Stantons letzter Hauptrolle, formulierte der US-Filmkritiker Roger Ebert die „Stanton-Walsh Regel“, nach der ein Film, in dem Harry Dean Stanton oder M. Emmet Walsh eine Nebenrolle spielen, nicht völlig schlecht sei kann. Diese Weisheit lässt sich bedenkenlos auf „Lucky“ übertragen. John Carrol Lynch ist ein grandioses Regiedebüt geglückt.

Irgendwo in einer Kleinstadt im Südwesten der USA lebt der 90-jährige Lucky den stehts gleichen Tagesablauf bestehend aus Yoga, Spieleshows im Fernsehen, Barbesuch zu Fuß und Zigaretten. Als er eines Morgens zusammenbricht, ist das zwar kein Grund um seine Routinen zu ändern, nachdenklich stimmt ihn das aber dann doch. Sentimentaler Mensch ist er aber keiner. Genauso wenig wie Harry Dean Stanton selbst. Der Film wurde ihm auf den Leib geschrieben oder vielmehr wurde um die reale Person eine Geschichte konstruiert.

Realismus als Konzept

Als Lynch anfragte, ob Stanton interessiert sei, meinte der nur, wenn sie das zusammen bekommen, macht er es. Vielleicht fühlte er sich doch geschmeichelt. „Lucky“ überblendet Stanton mit einem fiktiven Charakter. Es gibt sehr wohl Unterschiede. Die Vorliebe für Gameshows, ein tägliches Workout und der leere Kühlschrank entsprechen aber dem realen Stanton. Ebenso seine philosophischen Auseinandersetzungen mit dem eigenen Ich. Er konfrontierte die Menschen mit Lügen und Heuchelei. Tatsächlich betrat Stanton oft den Raum und rief: „You are nothing!“:

„The old eastern concept, one guy phrased it, ‘To realise you’re notfhing is wisdom. To realise you’re everything is love. Or pure intelligence or pure awareness. Ultimately that can’t be defined in words, it’s beyond words, beyond consciousness. And that’s a hard sell, but it’s true.”,

meint Stanton dazu. Eine Erkenntnis, die es ihm ermöglichte, bis zuletzt seiner großen Leidenschaft zu fröhnen. „Ich esse nur, damit ich rauchen kann“ – für den Arzt ist Lucky ein Naturwunder, das es zu bestaunen und erforschen gilt. „Lucky“ ist auch ein Film über Körperlichkeit und eine Humorvolle Auseinandersetzung mit dem Altern.

Die Besetzung ist durch die Bank exzellent. David Lynch übernahm dank der engen Verbindung zu Stanton eine wunderbare Rolle in besagter Bar und trauert dort seiner entlaufenen Schildkröte Roosevelt nach. Eine schöne Metapher zum Tempo des Films und den Gemütern seiner Charaktere. Auch um Tom Skerritt und Ed Begley jr. zu gewinnen, brauchte es nicht mehr als einen Telefonanruf. John Carrol Lynch betrieb ein one phone call casting. Für mehr war einfach kein Geld vorhanden.

„From Paris to Texas. The Man in the Moonshine.“

Es ist ein Glücksfall, dass Stanton, der zuletzt viele Angebote abgelehnt hatte, die Rolle angenommen hat. „Lucky“ ist nicht nur ein Tribute an einen großartigen Charakterdarsteller, sondern auch ein Abschied. Harry Dean Stanton verstarb letzten September mit 91 Jahren.

Für das Filmhaus am Spittelberg ist „Lucky“ ein Neubeginn. Das Filmcasino eröffnet dort mit dem Film diese Woche eine zweite Spielstätte.

John Carrol Lynch | USA 2017 | 88 Min | 4 out of 5 stars

Foto © Polyfilm

Quelle Zitat: https://flashbak.com/the-zen-of-harry-dean-stanton-surrender-to-the-void-to-nothingness-386512/

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