ManchesterbytheSea

Wenn einem Kinobesuch monatelang Lobeshymnen vorangehen, läuft man Gefahr, ob der hohen Erwartungen enttäuscht zu werden. Dies ist so ein Film. Zumindest was Ersteres angeht.

Kenneth Lonergan ist ein stilles und humorvolles Drama gelungen. Das ist seinem gut getimten Drehbuch und dem Hauptdarsteller Casey Affleck, in der Rolle des Lee Chandler, zu verdanken. Manchester ist ein Film über eine menschliche Katastrophe unbeschreiblichen Ausmaßes, ohne das erjemals laut wird. Für eine ähnliche Herangehensweise an ein tragisches Ereignis ohne falsche Sentimentalität muss man weit zurückgehen. Man ist etwa an den kanadischen Film The Sweet Hereafter von 1997 erinnert.

Das Schicksal von Lee erschließt sich spät in von Händel musikalisch untermalten Rückblenden. Die dazwischenliegenden Auseinandersetzungen mit seinem Neffen, für den er das Sorgerecht übernehmen soll, sind voll trockenem Humor. Es ist dieser Balanceakt, der die Figuren so real erscheinen lässt.
Es ist ein Film über Verlust und die Ohnmacht (der Männer), Gefühle nicht ausdrücken zu können, außer vielleicht noch in Schlägereien in der Bar und sich jeglicher Hilfe von außen zu verschließen.

Dramaturgie und Reduktion der Geschichte lassen in Manchester Merkmale eines Theaterstückes erkennen. Nicht verwunderlich, Lonergan ist vor allem Theaterregisseur.

In Manchester wird besonders deutlich, warum Nebenrollen in Hollywood supporting actor/actress genannt werden. Selbst Michelle Williams macht das in ihren kurzen einprägsamen Auftritten klar.

Mag sein, dass Lonergans eisig kalte Version eines Fischerdorfes zu aufgeräumt erscheint. Das schmälert jedoch nicht die Leistung von Casey Affleck. Ein Gesicht, gezeichnet vom Leid, das Lee widerfahren ist, die Hände in der Hosentasche, in der Kälte stehend. Ein Bild das bleibt. Eine tiefgründigere Charakterstudie hat man schon lange nicht mehr im Kino sehen können.

Kenneth Lonergan USA 2016 136 Min

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