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Schneller. Höher. Spektakulärer. Der Actionfilm muss seit jeher den Anforderungen gerecht werden, alles bisher Gesehene in den Schatten zu stellen. Nun ist ein halbes Jahrhundert vergangen, seitdem die ersten Kriminalfilme über die Leinwände flimmerten und James Bond sich aufmachte, die Welt zu retten. Lichtblicke gab es immer wieder und zwar immer dann, wenn neben neuen Ideen und atemberaubenden Stunts die Story rund um eine charismatische Heldenfigur nicht zu kurz kam. Trotzdem war der Trend zu beobachten, dass, auch dank der technischen Entwicklungen, die Sequenzen immer unglaubwürdiger wurden und die Filme zunehmend langweiliger. Das Budget, das für die Materialschlachten aufgewendet wurde, war zum Marketinginstrument geworden und musste oft schon alleine reichen um Publikum anzulocken. Wenn es um Superlative in Kombination mit Qualität geht, ist die 1996 gestartete Mission: Impossible-Reihe im Laufe der Jahre zum Maß aller Dinge geworden und der nunmehr 6. Teil zeigt mehr den je warum das so ist.

Ethan Hunt hat einen Fehler gemacht. Oder doch eher Tom Cruise, denn in einer unvergleichlichen Art und Weise sind Hauptdarsteller und Filmfigur hier miteinander verschmolzen. Ohne Cruise gäbe es die Reihe in dieser Form nicht. Wir haben es hier erstmals mit einer direkten Fortsetzung des Vorgängers (Rogue Nation, 2015) zu tun und an dessen Ende lässt Hunt seinen Gegenspieler Solomon Lane (Sean Harris) am Leben. Dieser kehrt nun zurück und möchte mit seinem Netzwerk an Terroristen, genannt die Apostel, durch einen Atomkrieg der jetzigen Weltordnung ein jähes Ende setzen. Leid schafft Frieden, ist deren Motto. Getrieben wird Lane aber von etwas anderem. Doch von was wird hier nicht verraten.

Unterstützung erhält Hunt wie gewohnt von seinen von Film zu Film leicht variierenden Sidekicks. Diesmal sind Luther (Ving Rhames), Benji (Simon Pegg) und die ehemalige MI6 Agentin Ilsa (Rebecca Ferguson) mit dabei. Benji hat in seinem dritten Auftritt die Wandlung vom Clown im Innendienst zum Agenten abgeschlossen. Die albernen Sprüche sind weniger geworden. Das schlägt sich auf die gesamte Tonart des Filmes nieder, trotzdem ist der typische Witz erhalten geblieben. Ilsa verfolgt teilweise eine eigene Agenda und bei ihr weiß man nie so recht, was als nächstes kommt. Alec Baldwin gibt als IMF (Impossible Mission Force) Chef Alan Hunley Rückendeckung, zumindest solange er kann.

Es gibt auch ein paar Neuzugänge. Von der CIA Direktorin Erika Sloane (kurzer aber starker Auftritt von Angela Bassett) bekommt Hunt einen Aufpasser: August Walker (Henry Cavill) entpuppt sich als Mann fürs Grobe und verleiht der Handlung einen neuen Twist. Vanessa Kirby ist die weiße Witwe. Mittelsfrau, Waffenhänderlin und Hunts Pendant. Eine Versuchung. Als sie sich an der Seine gegenüberstehen, fragt man sich unweigerlich, ob der ganze Film nur Cruise‘ Aufforderung zum gemeinsamen Abendessen mit offenem Ausgang ist („Schau, ich hab ganz Paris für dich absperren lassen.“).

Die Besetzung ist eine Stärke von Mission: Impossible. Bekanntheit erlangte die Serie aber durch ihre spektakulären Stunts. Stand bisher ein Highlight pro Film auf dem Programm, gibt es in Fallout gleich eine ganze Reihe. Etwa einen „High Altitude Low Opening“ (kurz: HALO) Sprung aus 8000 Meter Höhe. Dafür wurde eigens ein Helm entworfen, damit man die Gesichter der Schauspieler erkennen kann. Weil eines ist längst bekannt: Tom Cruise macht das alles tatsächlich selber. Über 100 Sprünge sind notwendig, bis man in der Lage ist einen HALO Sprung mit einer bestimmten Choreografie auszuführen. Für eine Verfolgungsjagd durch Paris wurden große Teile der Stadt gesprerrt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Es scheint, als hätte Tom Cruise eine To-do-Liste, die er abarbeitet. Dafür durfte er nach den Dreharbeiten mit einem Pilotenschein nach Hause gehen. Hubschrauberstunts inklusive Spiralflug – Check. Knöchelbruch? Ein paar Wochen später rennt er schon wieder über die Dächer Londons. Unter Schmerzen.

Auch wenn sich Fallout nicht mit großen Reden aufhält, verkommt er nicht zu einer Aneinanderreihung von Actionsequenzen. Dafür sorgt das Drehbuch von Regisseur Christopher McQuarrie, das er während des Drehs immer wieder geändert hatte. Der Spruch „Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt“ wird in M:I 6 groß geschrieben. Hunt vermeidet jeglichen Kollateralschaden und verliert dadurch immer wieder die Kontrolle über seine Missionen. In den Chefetagen ist man der Meinung, dass einzelne Opfer zum Wohl der Allgemeinheit in Kauf genommen werden müssen. In einer schönen Szene kommt das gut zum Ausdruck. Am Rande der Verfolgungsjagd durch Paris versucht Hunt eine unbeteiligte Polizistin, die ins Kreuzfeuer gerät, zu schützen und riskiert dabei selbst in eine auswegslose Situation zu geraten. Diese Eigenschaft machen sich die Anarcho-Terroristen zum Vorteil und versuchen Hunt dort zu treffen wo es am meisten Weh tut. Dabei spielt Hunts Frau Julia (Michelle Monaghan) eine Rolle. Am Ende von Phantom Protokoll (2011) erfuhr das Publikum, dass sie noch am Leben ist. Dafür war es notwenig, erstmals auch mehr über den Charakter von Hunt selbst zu erfahren.

Das Spiel mit den Masken war seit Anbeginn ein markanter Bestandteil von Mission: Impossible. Diesmal gerät deren Einsatz allerdings allzu vorhersehbar. Hier kann das Publikum dem Drehbuch hin und wieder einen Schritt voraus sein. Bei all der Fülle an Action kommt man unweigerlich in die Überlänge, da hätte man sich die ein oder andere Idee aufsparen können. Aber vielleicht hat Tom Cruise schon die Torschlusspanik. Mit dem nächsten Teil nähert er sich unfassbarerweise schon seinem 60er. Erstmal läuft ein Film der Reihe in 3D. Darauf kann man getrost verzichten. Vermutlich eine Auflage des Studios. Man hat jedenfalls in der Produktion keinen Gedanken daran verschwendet.

Alle, die sich auf diesen Film gefreut haben, werden nicht enttäuscht sein. Es ist der ausgereifteste Film der Serie, schafft die Balance zwischen Action und Handlung, bringt diese weiter und eröffnet neue Möglichkeiten für Fortsetzungen. Wo Antman gerade bloss Unterhaltung war, regt Fallout durchaus zum Nachdenken über das ganze Genre an. Wohin auch immer die Reise geht, man wird sich an Ethan Hunt orientieren müssen.

Christopher McQuarrie | USA 2018 | 148 Min | 4 out of 5 stars

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