Oscars

Man kann über sie lästern, sich ärgern oder sie einfach ignorieren. Fakt ist, die Oscars sind die wichtigsten Preise der Filmwelt. Vielleicht müsste man heute das Wort „noch“ hinzufügen. Auch wenn ernsthaft keine Gefahr besteht, dass sie in der Bedeutungslosigkeit versinken könnten, befindet sich die Academy of Motion Pictures, Art and Science (AMPAS) gerade auf einem Scheideweg, hin und her gerissen zwischen moralischen Ansprüchen, politischen Auseinandersetzungen, veränderten Sehgewohnheiten, immer mächtiger werdenden Konzernen und einer Branche, die sich generell gerade im Umbruch befindet. Hinzu kommen in Ungnade gefallene Moderatoren, Schauspieler und Regisseure.

Die Academy ist ein großer Tanker mit tausenden Mitgliedern, der sich Jahrzehnte lang nicht mehr bewegt hat und jetzt versucht zu manövrieren und dabei ständig wo dagegen donnert: eine neue Kategorie „Bester Populärer Film“ sollte eingeführt werden. Daraus wurde jetzt doch nichts. Vermutlich auch, weil sich die Auswahlkriterien nur schwer bestimmen lassen. Aus welcher Richtung dieser vorerst gescheiterte Vorstoß kam ist nicht schwer zu erraten. Die Gala verlor zusehends an Publikum, wobei im Kino gleichzeitig von Jahr zu Jahr neue Rekorde aufgestellt werden. Allerdings wird das Boxoffice eher selten von Oscar Kandidaten angeführt. Gleichzeitig wurde beschlossen, die Verleihung von vier Oscars in die Werbepausen zu verlegen und sie anschließend dem Publikum in verkürzter Form nachzureichen. 

Das hat große Unruhe ausgelöst. In diesem Jahr viel die Wahl auf Beste Kamera, Bester Schnitt, Makeup and Hairstyling und Bester Kurzfilm. Nun ist schon seit Jahren keine Live Sendung wirklich mehr live, sondern zeitversetzt, damit kein „fu€k!“ mehr zu hören ist oder TV-Shows zu Russ Meyer-Gedenkveranstaltungen verkommen. Somit auch vorgeschnitten, bzw. zensuriert. Die Frage ist, wie viel von den Preisvergaben nach den Werbepausen zu sehen sein wird. Angeblich soll man es an den Bildschirmen zu Hause kaum merken. Wie so eine Stunde Sendezeit eingespart werden soll, ist eine andere Sache.

Es ist paradox, Preisvergaben gerade in die Werbepausen zu verlegen. Just die Pausen sind es, die die Oscars alljährlich zu einer Geduldprobe für Filmfans machen und endlos in die Länge ziehen. Die Kunst ist vor dem Kommerz in die Knie gegangen. Deutlicher kann man es nicht zeigen. Milliardenkonzerne betreiben an diesem Abend Profitmaximierung. Nun werden gerade jene Kategorien in die Werbepausen verlegt werden, in denen keine Disney/ABC Produktionen nominiert sind. Die Walt Disney Company ist Marktführer. ABC ist der Broadcaster und gehört dem Disney Konzern.

Eines hat sich hier gezeigt. Mit Solidarität ist es nicht weit her im Filmbiz. Der Empörung für Kamera und vielleicht noch Schnitt war groß. Wer aber hat für Makeup and Hairstyling die Stimme erhoben? Mit großen Wellen ist der Tanker derweilen nicht konfrontiert. Im 21. Jahrhundert schreibt man zwar keine Briefe mehr aber dafür unterzeichnet man um so gerne Petitionen. Das mag im ersten Moment ein edles Unterfangen sein. Es ist allerdings auch ein ziemlich zahnloses. Man darf gespannt sein, ob es bei einem Jammern bleiben wird. Darüber, worum es eigentlich geht, die Filme nämlich, redet im Moment kaum jemand.

Dabei betritt die Academy auch hier Neuland. Mit Roma ist ein fremdsprachiger Film 10-fach nominiert. Cold War hat nochmal drei bekommen. An beiden Filmen führt in diesem Jahr kein Weg vorbei. So gesehen eine gerechtfertigte Entscheidung.  Roma ist noch dazu eine Netflix-Produktion. Paweł Pawlikowski und Alfonso Cuarón sind freilich keine unbekannten in Hollywood und wurden beide bereits mit einem Oscar prämiert. Die Academy gibt sich weltoffen. Allerdings gibt es in den USA heuer gleich drei Regisseurinnen, die mit ihrem Arbeiten aufgefallen sind: Debra Granik mit Leave no Trace, Chloé Zhao mit The Rider und Lynne Ramsay mit A Beautiful Day. Alle drei wurden von der Academy übergangen. Das ist der eigentliche Skandal dieses Jahres.

[UPDATE 16/2/2019: Die Academy nimmt nach einem Protest ihre Entscheidung zurück, vier Preise in der Werbepause zu vergeben.]

Filme auf dem OSCAR RADAR

© Foto: AMPAS

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