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Kann man sich einem Menschen, der einer völlig fremden Welt entstammt, verbunden fühlen? Noch dazu jemanden aus Trumps Kernland, das man aus weiter Ferne bestenfalls belächelt und der Lebenstraum darin besteht, möglichst lange im Sattel zu sitzen? Chloé Zhao zeichnet in ihrem neuen Film, fernab von politischen Realitäten und Ideologien ein Porträt eines Mannes, der seine Berufung gefunden hat, ihr aber plötzlich nicht mehr nachgehen kann.

Brady Blackburn (Brady Jandreau) lebt im Pine Ridge Reservat im Südwesten des US-Bundesstaats South Dakota. Er ist bekannt für seinen einfühlsamen Umgang mit Pferden. Auf deren Rücken ist er ein Held. Gleich zu Beginn verändert ein schwerer Sturz bei einem Rodeo-Ritt sein ganzes Leben. Er erleidet eine Hirnfraktur und muss fortan mit einer Metallplatte im Kopf leben. Er darf nicht mehr reiten.

Damit kann sich Brady nicht abfinden. Die Narbe ist noch frisch und er steigt wieder auf ein Pferd. Die Tiere sind sein Lebensinhalt und nur auf deren Rücken kann er er selbst sein. Der Gedanke an das nächste Rodeo ist nicht fern, jedoch erlaubt es sein gesundheitlicher Zustand nicht.

Die finanzielle Situation ist angespannt. Die Mutter tot, der Vater (Tim Jandreau) ein Spieler, die Schwester (Lilly Jandreau) geistig beeinträchtigt. Das Pine Ridge Reservat gehört zu den ärmsten Gegenden der USA. Hier lebt ein Großteil der Familien unterhalb der Armutsgrenze, viele haben weder Strom noch Telefon. Die Lebenserwartung liegt um die 50 Jahre. Brady nimmt einen Job im Supermarkt an.

 

Im gleißenden Neonlicht stellt sich für ihn die Frage, ob das alles noch einen Sinn macht. Es spielt in diesem Moment keine Rolle, ob er ein Reiter ist oder nicht. Brady ist jemand, der seine Bestimmung gefunden hatte, etwas das nicht vielen vergönnt ist. Nicht mehr zu reiten bedeutet für ihn gleichzeitig seine Identität aufzugeben und seine Männlichkeit zu verlieren. Von dieser inneren Verzweiflung handelt The Rider. Als er sich dann doch auf zum nächsten Rodeo macht, schlägt der Film eine Richtung ein, die, wie Werner Herzog bemerkt, so ganz der amerikanischen Filmkultur und dem American Dream widerspricht.

 

Die Geschichte ist wahr. Brady Jandreau spielt sich selbst. Noch vor dem Unfall hatten sich er und Regisseurin Zhao kennengelernt. Auch der Rest der Familie konnte für den Film gewonnen werden. Die Folge sind halbdokumentarische Charakterstudien. Das Publikum ist Bradys Verzweiflung und Traurigkeit so nahe wie nur irgendwie möglich. Die Authentizität ist erstaunlich. Dabei ist der Mythos des Westerns allgegenwärtig. Die schier unendlichen Weiten der Landschaft eröffnen sich in wunderschönen Panoramen. Wenn die Kamera dann groß auf Bradys Gesicht verweilt, wird klar, dass er trotz all der Tragik immer ein Teil dieser Welt sein wird.

Zhoa hat einen nur auf den ersten Blick apolitischen Film gemacht. Ihre Herangehensweise eröffnet uns einen humanistischen Blick auf eine Gesellschaft, die uns sonst nur als stockkonservativ und hinterwäldlerisch bekannt ist.

Chloé Zhao | USA 2017 | 102 Min | 4 out of 5 stars

© Foto: Joshua James Richards

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