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26 Grad zeigt der Thermometer im Foyer des Gartenbaukinos kurz vor dem Einlass. Dicht gedrängt, fast vorne an der noch verschlossenen Glastür mit dem Hinweis „Bitte nicht rennen!!!“ Je nach Witterung mit Pullover und Jacke. Kein Platz um sich auszuziehen. Leider vorhin darauf vergessen. An Laufen ist nicht zu denken. Umfallen im Falle eines Kreislaufkollaps nicht möglich.

Die Viennale 2017 gehört der Vergangenheit an. Nach 20 Jahren ohne Hans Hurch. Trotzdem war er in jeder Vorstellung allgegenwärtig. Durch Worte der Erinnerung oder schon alleine durch die von ihm getroffene Filmauswahl.

Die Filmauswahl ist für das Publikum Jahr für Jahr die größte Herausforderung. Schaut man einen Film, verpasst man zur selben Zeit vier andere. Das gleiche gilt, wenn man vor Mitternacht ins Bett möchte oder an geregelte Mahlzeiten denkt. Drageekekse gelten nicht als Mahlzeit, leisten aber guten Ersatz. Aus dem Bruchteil an Gesehenem hier ein paar Höhepunkte:

In THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI von Martin McDonagh fordert eine Frau Gerechtigkeit für ihre ermordete Tochter. Sie legt sich mit der örtlichen Polizei an und hat bald das ganze Dorf gegen sich. Berührende Momente und derbe Komik wechseln einander stakkatoartig ab. Mit Frances McDormand, Woody Harrelson und Sam Rockwell. Wird man sich merken müssen. Startet bei uns Ende Jänner.

THE NILE HILTON INCIDENT von Tarik Saleh spielt in den Tagen vor der arabischen Revolution in Kairo. Ein Mordfall, dessen Spuren in höhere Kreise führen, stellt einen Polizisten auf die Probe. Bleibt er weiterhin Teil des System Mubarak oder geht er gegen Korruption und polizeiliche Willkür vor und stellt sein Leben aufs Spiel. Zu verlieren hat er scheinbar nichts mehr. Leider im Moment wieder ohne regulären Starttermin.

In der schweizerisch-österreichisch-polnischen Koproduktion TIERE von Greg Zglinski fahren Birgit Minichmayr und Philipp Hochmair in eine Almhütte in der Schweiz. Auf dem Weg dorthin kommt es zu einem Autounfall mit einem Schaf. Seltsame und unheimliche Ereignisse lassen das Publikum fortan darüber im Unklaren, wo nun die Grenze zwischen Realität und Einbildung ist. Das Ganze ist im wahrsten Sinne des Wortes unheimlich komisch. Ab Mitte November im Kino.

Der Eröffnungsfilm LUCKY von John Carroll Lynch ist eine fiktive Geschichte mit einem realen Charakter. Ein Film mit und über Harry Dean Stanton – Kettenraucher, Konservativer, Grantler. Eine humorvolle Abhandlung über das Alter mit einer herausragenden Besetzung. Kommt im März 2018.

Einer der Höhepunkte des Festivals und des Filmjahres überhaupt ist Valeska Grisebachs WESTERN. Die Männer eines deutschen Bautrupps stoßen in Bulgarien in einer Art Außenposten am Rande Europas zwangsläufig auf die lokale Dorfbevölkerung. Arbeitsmigration andersrum. Läuft diese Woche im Kino an. Eine ausführliche Kritik folgt morgen.

GRAVE (Raw) von Julia Ducournau ist bereits auf Blu-Ray/DVD erhältlich und läuft auf Amazon Prime. Darin steigt Justine in die Fußstapfen ihrer Familie und beginnt ein Studium der Veterinärmedizin. Bei einem Initiationsritual kommen bei der strengen Vegetarierin plötzlich fleischliche Gelüste auf, die das normale Maß bei weitem übersteigen. Ein coming-of-age Horrorfilm mit Eckelgarantie. Kein Schocker aber explizit in der visuellen Umsetzung. Nichts für schwache Nerven und durchaus gelungen.

Es liefen natürlich noch einige interessante Filme mehr. Sollten sie ins Kino kommen, wird hier auf THE REEL THERAPIST davon berichtet werden.

Im Jänner bekommt die Viennale eine neue, wenn es nach Präsident Eric Pleskow geht weibliche, Festivalleitung. Eine große Herausforderung, auch in Anbetracht der verkürzten Vorbereitungszeit, ein so erfolgreiches Festival zu übernehmen.

 

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