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Eine amerikanische Mittelklasse-Familie wird während ihres Sommerurlaubes in Santa Cruz eines Nachts von einer Familie in roten Overalls und mit goldenen Scheren in den Händen heimgesucht, die sich als ihre Doppelgänger herausstellen. Regisseur Jordan Peele verleitet das Publikum in seinem neuen Film Wir zum Nachdenken. Auf eine zufriedenstellende Lösung in allen Fragen darf man unter den duzenden Hinweisen und popkulturellen Reverenzen, die der Film parat hält, aber nicht hoffen. Spaß macht er trotzdem

Bereits zu Beginn versteht es Peele in einem Rückblick, in dem die Hauptdarstellerin Adelaide (Madison Curry) als Kind durch den Vergnügungspark in Santa Cruz schlendert, ein gewisses Unbehagen zu erzeugen. Das rattern der Achterbahn und die Geräusche aus den Spielautomaten wirken bedrohlich. Das Tiefschwarz der finsteren Nacht umhüllt die einzelnen Stände. Es ist das Jahr 1986 und die Ereignisse in jener Nacht werden Adelaide nicht loslassen.

Auch in der Gegenwart nicht. Adelaide (Lupita Nyong’o) kommt mit ihrer Familie, mit Ehemann Gabe (Winston Duke) und den Kindern Zora (Shahadi Wright-Joseph) und Jason (Evan Alex), zum Sommerurlaub in ihrem Ferienhaus an jenen Ort zurück, an dem ein Vorfall im Spiegekabinett ein posttraumatisches Stresssyndrom ausgelöst hat. In dem sich ab dem Eintreffen unglaubliche Zufälle häufen, wird das Gefühl bei Adelaide und dem Publikum bestärkt, dass irgendetwas nicht stimmt. Dann steht in der Nacht diese Familie in Overalls in der Einfahrt und macht keine Anstalten weg zu gehen.

Wie schon in seinem Überraschungserfolg Get Out, sind bei Peele neuerlich die Menschen die Monster. Mit seinen Landsleuten geht er erneut hart ins Gericht. Und damals wie heute gilt: je weniger man über die Handlung bescheid weiß, umso besser. Wobei es beim erstmaligen Anschauen kaum möglich ist sämtliche Hinweise, die Peel streut, zu erkennen und richtig zu deuten. Es beginnt bereits mit dem Trailer, in dem findige Fans Indizien für die Lösung des großen Mysteriums in Wir zu erkennen glauben (wie so oft gilt: Finger weg vom Trailer!).

Die Antagonisten werden von denselben Schauspielern verkörpert wie die Hauptdarsteller. Das bestärkt den Wir-Gedanken und das Gefühl, es handle sich um die finstere Seite der Charaktere. Das Verhalten der Doppelgänger ist entscheidend anders, als das der jeweiligen Originale und lässt sich rückwirkend schlüssig erklären. Allerdings hat der Filmtitel eine weitere Bedeutung. Das Us im Originaltitel meint alle US-Amerikaner. Einmal sagt Adeliges Doppelgängerin: „We are Americans.“

Vieles klärt sich im Laufe des Filmes auf und anderes wiederum bleibt unklar. Dass der Film derart überladen mit Reverenzen ist, hat durchaus einen Unterhaltungswert (Angefangen bei einem Der Weiße Hai-T-Shirt und dem Handschuh auf dem Filmplakaten). Dies sind alles Hinweise auf einer Metaebene, in der Handlungsebene bleibt Peele, der auch das Drehbuch verfasst hat, dem Publikum allerdings Erklärungen schuldig und lässt es vor allem wegen des Finales ratlos im Kinosaal zurück.

Es geht neuerlich blutig zu und für Spannung ist gesorgt. Punkten kann Wir aber mehr mit den komischen Elementen. Dafür sorgt in erster Linie Ehemann Gabe und das befreundete Paar Kitty (Elisabeth Moss) und Josh (Tim Heidecker). Moss hat sichtlich Freude an ihrer grotesken Rolle. Allen voran steht aber Lupita Nyong’o mit einer beeindruckenden Tour de Force als heimgesuchte Mutter. Parallelen zu Michael Handkes Funny Games kommen nicht von ungefähr. Der Film diente Peele unter vielen anderen als Vorbild.

Wir eignet sich bestens, um nach dem Kinobesuch Seherfahrungen und Sichtweisen zu diskutieren. Jordan Peele etabliert sich als Meister der gruseligen Gesellschaftssatire und prangert die unreflektierte Angst vor allem Fremden an. Dabei müssen wir uns in erster Linie vor uns selbst fürchten.

JORDAN PEELE | OT: US | 117 Min. | 3.5 out of 5 stars

▶︎ Review : Get Out (Jordan Peele, 2017)

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