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Am Anfang ist der afrikanische Kontinent so schwarz, wie wir es von diesen Nachtansichten der Erde aus dem Weltall gewohnt sind. Auf denen ist klar zu erkennen, wo auf der Welt Geld und technologischer Fortschritt zu Hause sind. Zwei starke Marvel Stunden später erklärt T’Challa, König von Wakanda, vor der UN-Versammlung in Wien, warum sein Land in Zentralafrika in Wahrheit das Zentrum der modernen Welt ist. „Black Panther“ macht sich daran, unser Weltbild auf den Kopf zu stellen.

 

Chadwick Boseman alias T’Challa alias Black Panther auf dem Cover der Time. Der Feuilleton überschlägt sich mit euphorischen Kommentaren. Von einem popkulturellen Ereignis ist die Rede. Ryan Coogler schrieb und inszenierte den ersten Blockbuster der Filmgeschichte, der nicht nur zum Großteil in Afrika spielt, sondern dessen Produktion vor und hinter der Kamera in den Händen von AfroamerikanerInnen lag. Dabei ist hier das Binnen-I mehr angebracht als bei jedem anderen Film dieser Größenordnung aber dazu später mehr.

Eine Comicverfilmung vom Disney Konzern als soziokulturelles Ereignis? Eines ist sicher, das Publikum wird dieser Tage Zeuge einer in der Popkultur nie dagewesenen Demonstration afroamerikanischer Selbstermächtigung.

 

Uneinigkeit im Königshaus

Der Erklärung von König T’Challa geht ein innerfamiliärer Streit voraus. Wakanda ist von einem Schutzschild umgeben. Von Außen sieht es wie ein Dritte Welt Land aus aber dahinter verbirgt sich eine hochtechnologisierte Gesellschaft. Dank dem Rohstoff Vibranium ist es der reichste Staat der Welt, ein schwarzes und friedliches Utopia. Eine Linie der königlichen Familie möchte das Vibranium verteilen, um die schwarze Weltbevölkerung ganz im Sinne von Malcom X zu stärken. Dem besonnenen agierenden und eben inthronisierten T’Challa stellt sich sein von Wut und Hass getriebener Cousin N’Jabaka/Erik „Killmonger Stevens (Michael B. Jordan) entgegen. Gerade hat der eine Axt aus dem Wunderstoff Ulysses Klaue (Andy Serkis) überlassen. Das Königreich Wakanda möchte einen Weiterverkauf an den CIA Agenten Everett K. Ross (Martin Freemann) unbedingt verhindern. Das Kräftemessen kann beginnen.

T’Challa ist zwar die Hauptfigur aber getragen wird die Handlung ebenso von seinen weiblichen Partnerinnen: Schwester Shuri (Letitia Wright) stattet ihn mit den neuesten Waffen aus und ihr Labor erinnert an das von Q aus James Bond,  Lupita Nyong’o ist die Agentin Nakia, Angela Bassett die Königinmutter Ramonda und Danai Gurira steht T’Challa als Kämpferin zur Seite. Black Panther ist nicht nur ein Akt afroamerikanischer Emanzipation, sondern ein starkes Statement bezüglich Frauenrollen im Mainstreamkino. Darüber hinaus steht mit Rachel Morrison eine Frau hinter der Kamera, die soeben als erste Frau in der Geschichte für einen Oscar in der Kategorie Beste Kamera nominiert wurde.

Hintergrund

Erdacht wurde Black Panther von Stan Lee und Jack Kirby und hatte sein Debut 1966 in Marvel’s Fantastic Four No. 52. (Lee hat in der Casino Sequenz einen Cameoauftritt am Roulettetisch.) Im selben Jahr wurde die Black Panther Party gegründet und hatte es sich zur Aufgabe gemacht im Interesse der afroamerikanischen Gerechtigkeit bewaffneten Widerstand zu leisten. Im Gegensatz zu Martin Luther Kings Überzeugung mit Worten anstelle von Gewalt zu handeln. Ein Konflikt, der sich in der Geschichte von „Black Panther“ widerspiegelt.

Das Setdesign von Wakanda ist geprägt vom Afrofuturismus: Organische Architektur und Wolkenkratzer mit Elementen aus Strohhütten. Die fantastischen Kostüme zitieren traditionelle afrikanische Kleidungen. Sie sind wahrlich eine Pracht. Auch zur Weltpremiere erschienen die Darsteller in traditioneller Kleidung, die auf ihre ursprüngliche Herkunft verweisen sollte.

„Black Panther“ fügt sich zeitlich nach „Captain America: Civil War“ und dem Attentat an T’Chaka, dem Vater von T’Challa, in Wien in das Marvel Cinematic Universum ein. Trotzdem steht der Film für sich und hält sich sonst mit Querverweisen zurück. Es wird ein ernsterer Ton eingeschlagen und auf den mittlerweile nervenden Marvel Humor hat man zum Glück fast vollständig verzichtet. Auch mit ein Grund, warum selbst die Nebencharaktere weniger schablonenhaft und nie lächerlich wirken. Missglückt sind lediglich die Spezialeffekte, die zeitweilig amateurhaft anmuten.

Um für den Score zu recherchieren, hat Ludwig Göransson einen Monat im Senegal verbracht. Geschickt hat er Elemente lokaler Musik in die Filmmusik eingearbeitet. Kendrick Lamar hat das Album zum Film kuratiert und gibt sich kämpferisch mit Musik von The Weeknd, SZA, Khalid, ihm selbst und anderen. Warum das alles wichtig ist?

Superheld als Rolemodel

Für das afroamerikanische Publikum ist es ein längst überfälliger Moment. Die kulturelle Dominanz der weißen Bevölkerung entspricht so gar nicht der ethnographischen Zusammensetzung des Einwanderungslandes USA. Darum ist „Black Panther“ von solcher Bedeutung für die Community. Bürgergruppen kaufen ganze Vorstellungen auf, um Kindern den Kinobesuch zu ermöglichen, die es sich sonst nicht leisten könnten, ihre Helden zu sehen. Schon vor dem Filmstart wurden durch den Vorverkauf Box-Office Rekorde aufgestellt. Steht der Film aber für eine große Veränderung, wie vielerorts geschrieben wird, in einem Jahr, in dem der amerikanische Präsident den gesamten afrikanischen Kontinent als Ansammlung von Shitholes herabgewürdigt hat? Wenn dem so wäre, würde das die Bürgerrechtsbewegungen ad absurdum führen. Gesellschaftliche Veränderungen kommen nicht von oben, sondern müssen hart erkämpft werden. Im Moment entwickelt sich die Welt in die entgegengesetzte Richtung.

Es ist aber ein schöner Gedanke, dass in vielleicht 20 Jahren der ein oder andere aus dem jüngeren Publikum behaupten würde, „Black Panther“ hätte auf sein Leben einen prägenden Einfluss gehabt. Dass der Film eine Wirkung entfaltet, die über zwei Stunden hinausgeht, ist ihm durchaus zuzutrauen. Positiv besetzte Vorbilder sind ohne hin rar.

Ryan Coogler | USA 2018 | 135 Min. | 4 out of 5 stars

Fotos © Marvel Studios 2018

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