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1994 wurde die Eiskunstläuferin Tonya Harding mit einem Schlag so berühmt wie Bill Clinton. Wobei selbst ausgeführt hat sie ihn nicht, den Schlag auf das Knie ihrer Konkurrentin Nancy Kerrigan. Dafür sorgten ein paar zwielichtige Typen, die ihr Mann Jeff Gillooly beauftragt hatte. Oder wussten doch beide nichts davon? Bei der Recherche stieß Drehbuchautor Steven Rogers auf widersprüchliche Aussagen über die Ereignisse im Vorfeld der Olympischen Spiele, die damals um die Welt gingen.

Das ist mit ein Grund warum „I, Tonya“ zwar auf wahren Begebenheiten beruht, sich selbst wegen der haarsträubenden Geschehnisse jedoch nicht all zu ernst nimmt und eine Mockumentary geworden ist. Die Geschichte beginnt in früher Kindheit, als Harding (Margot Robbie) von ihrer exzentrischen und kettenrauchenden Mutter LaVona Golden (Alison Janney) aufs Eis geschoben wird. Die echte Golden bestreitet Gewalttätigkeiten gegenüber ihrer Tochter. Ebenso wie ihr Mann Jeff (Sebastian Stan), von dem sie ebenso behauptet, geschlagen geworden zu sein. Immerhin hat er später einmal auf sie geschossen. Zumindest das scheint verbrieft zu sein. Die Protagonisten wenden sich in Interviews direkt in die Kamera und bald wird klar, dass hier irgendetwas nicht stimmen kann. Tonya und Jeff erzählen ziemlich unterschiedliche Versionen der Geschichte, die an skurrilen Typen nicht arm ist.

So unbeholfen und dümmlich wie sich Jeff und die Schläger geben, zweifelt man stark am Wahrheitsgehalt der Erzählung. Es sind aber gerade die absurdesten Details, die den Tatsachen entsprechen. So lief einer der Täter tatsächlich auf der Flucht gegen eine Glastüre. Beste Grundlagen also für eine groteske schwarze Komödie.

Gebracht hatte das alles nichts. Kerrigan gewann Silber und Harding belegte nur den siebten Platz. Der Aufstieg und Fall der Tonya Harding erregte eine enorme mediale Aufmerksamkeit. Harding war die erste Frau, die einen dreifachen Axel stand, das ist ein Sprung mit einer 1260° Drehung. Eine vielversprechende Zukunft schien ihr bevor zu stehen. Bis 2017 bestritt Harding, von den Plänen ihres Mannes etwas gewusst zu haben. Von allen Eiskunstlaufmeisterschaften wurde sie aber schon unmittelbar nach dem Attentat gesperrt. Immerhin hatte sie mehr als die von Andy Warhols propagierten 15 Minuten Ruhm.

„I, Tonya“ ist auch ein Portrait der abwertend „white trash“ genannten Unterschicht. Sie wird allen voran grandios verkörpert von der Oscar-prämierten Alison Janney. Der Film ist durchwegs unterhaltsam und die ironische Herangehensweise verhindert, dass die Protagonisten bloß gestellt werden. Die Gewalttätigkeiten gegen die Hauptfigur, so sie derart stattgefunden haben, werden andererseits verharmlost, was gerade in Zeiten von #metoo doch überrascht.

Craig Gillespie | USA 2017 | 120. Min | 3 out of 5 stars

Foto: © ThimFilm

 

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