thepost

Als 1971 ein Hippiemädchen mit einem Schuhkarton in der Hand zwischen den Schreibtischen der Redaktion von „The Washington Post“ herumirrt, schenkt ihr kaum jemand Beachtung. Heute, in Zeiten eines „USA PATRIOT Act“ eine undenkbare Situation. Es war auch ein Anschlag der ganz anderen Art, den diese Schachtel auf die Regierung der USA verübt hat.

Im Karton war ein Teil der „Pentagon Papiere“, eine geheime Studie, die der damalige US-Verteidigungsminister Robert McNamara fünf Jahre zuvor in Auftrag gegeben hatte. Darin werden auf über 7.000 Seiten die Beziehungen der USA gegenüber Vietnam ausgeführt. Brisant war nicht zuletzt das Detail, den Krieg nicht mehr gewinnen zu können. Durch den Whistleblower Daniel Ellsberg gelangten die Papiere an die Öffentlichkeit. Zuerst konnte die US-Regierung eine Veröffentlichung in „The New York Times“ per Gerichtsbeschluss verhindern. In Folge gelangten die Dokumente an die „Post“ und deren Herausgeberin Katharine Graham entschied sich in letzter Sekunde für den Druck.

Die „Post“ stand kurz vor dem Börsegang und war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als eine Regionalzeitung. Katharine Graham (Meryl Streep) musste die Zeitung nach dem Tod ihres Mannes übernehmen und stand unter dem ständigen Druck des Vorstandes. Eine reine Männerrunde, die an ihren Fähigkeiten zweifelte. Sowohl Graham als auch ihr Chefredakteur Ben Bradlee (Tom Hanks) pflegten enge Kontakte zur politischen Elite. McNamara (Bruce Greenwood) war ein persönlicher Freund Grahams. Sie riskierten mit der Veröffentlichung den finanziellen Bankrott und eine Gefängnisstrafe. Der Oberste Gerichtshof entschied im Nachhinein jedoch im Sinne des 1. Zusatzartikels zur Verfassung der Vereinigten Staaten:

1. Amendment

Freedom of Religion, Speech, and the Press

Congress shall make no law respecting an establishment of religion or prohibiting the free exercisethereof, or abridging the freedom of speech or of the press, or the right of the people peaceably to assemble and to petition the government for a redress of grievances.

Der türkische Journalist und ehemalige Herausgeber der „Cumhuriyet“ Can Dündar, sieht in den „Pentagon Papieren“ eindeutige Parallelen zu seinem Bericht über illegale Waffenlieferungen der Türkei nach Syrien. Allerdings kann man in der Türkei nicht mehr von einer unabhängigen Justiz sprechen. Dündar kam ins Gefängnis. Ob in den USA oder in Österreich, vielerorts wird versucht, die Presse zu diskreditieren. Whistleblower Daniel Ellsberg ist sich nicht mehr so sicher, ob der Supreme Court heute gleich entscheiden würde. Donald Trump setzt immer wieder gezielte Attacken gegen die Presse. „The Post“ ist der Film der Stunde. Steven Spielberg erhielt das Drehbuch gerade erst vor einem Jahr im Februar 2017 und unterbrach sofort die Arbeiten an seinem nächsten Film. Ein paar Tage später waren Streep und Hanks mit an Bord und Ende Mai begannen die Dreharbeiten. Für Spielberg war klar, dass dieser Film, an dessen Beginn eine Lüge der US-Regierung steht, so schnell wie möglich auf die Leinwand musste.

Im Kino bekommt man nun von der Druckerschwärze fast schwarze Finger. „The Post“ ist atmosphärisch dicht, stimmig und schön anzusehen. Streep und Hanks geben ein geniales Duo ab. Spielberg erzählt gewohnt routiniert und spannend von der Bedeutung der Wahrheit und Entscheidungen mit weitreichenden Folgen. Schon im Kinosaal hat man das Gefühl einen Klassiker zu sehen. Es ist ein Film der sich nostalgisch gibt, jedoch eine ganz klare und hochaktuelle Botschaft vermitteln möchte. Eine starke Zivilgesellschaft kann der Willkür von Regierungen Einhalt gebieten. Grundvoraussetzungen dafür sind Pressefreiheit und ein unabhängiges Justizwesen.

Bleibt zu hoffen, dass es noch viele Grahams und Bradlees gibt, die nichts über ihre Ideale stellen und sich nicht selbst zensurieren. Der Weg zu Wahrheit und Gerechtigkeit ist ein langer. Richard Nixon wurde 1972 wiedergewählt und trat erst 1974 im Zuge der Watergate-Affäre zurück.

„The Post“ erhielt Oscar Nominierungen in den Kategorien Bester Film und Beste Hauptdarstellerin. Der größte Konkurrent dürfte sich nicht einmal unter den diesjährigen Nominierten finden, sondern ist vielmehr „Spotlight“, der sich ebenso mit der Pressefreiheit auseinandersetzt und 2015 ausgezeichnet wurde.

Steven Spielberg | USA 2017 | 117 Min. | 4 out of 5 stars

© Fotos: Universal Pictures

 

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