BCB3C285-CD61-47C0-994C-D1B0C45253F0

Transit ist ein bedeutendes Stück Exilliteratur. Die Autorin Anna Seghers verarbeitete darin 1941/42 ihre eigene Flucht vor den Nazis nach Mexiko. Der deutsche Regisseur Christian Petzold hat sich nun dem Stoff angenommen und bedient sich bei der Umsetzung eines kühnen Kniffes.

Georg (Franz Rogowski) sitzt in einem Pariser Café. Draußen ist die Welt in Aufruhr. Polizeiautos brausen durch die Gassen. Menschen werden auf der Straße zusammengetrieben. Die Situation ist angespannt. Georg entgeht nur knapp einer Verhaftung. Er ist auf der Flucht vor einem totalitären Regime.

Was die Bilder von der ersten Einstellung an verraten – wir scheinen uns im hier und jetzt zu befinden. Petzold hat die Handlung ins Frankreich der Gegenwart transferiert.  Er wollte diesmal keinen Historienfilm machen und eigentlich muss man sagen, Transit ist zeitlos.

Die Zeit als Feind

Über den Zeitpunkt der Handlung werden keine näheren Angaben gemacht (Auf hinweisgebene Gegenstände wie Smartphones hat Petzold bewusst verzichtet). Das verleiht dem Film eine universelle und zeitliche Allgemeingültigkeit. Eine brillante Idee. Für Menschen auf der Flucht scheint Zeit ein unendlich dehnbarer Begriff zu sein. Das lange Warten auf Transitvisa für eine Schiffspassage nach Übersee, wie es auch Georgs Fluchtplan ist, ist zermürbend. Zum Nichtstun verdammt und den Feind im Nacken muss er die Vergangenheit hinter sich lassen und sich auf eine unsichere Zukunft gefasst machen. Transit ist ein langer Augenblick der Ungewissheit.

Identitäten

Mit einer falschen Identität in der Tasche flüchtet Georg weiter in die Hafenstadt Marseilles. Mit den Dokumenten des toten Schriftstellers Weidel scheinen die Transitvisa gesichert.  Dort trifft er auf dessen Ehefrau Marie (Paula Beer), die nichts vom Tod ihres Mannes weiß. Die Zwei kommen sich näher. Eine Begegnung mit schicksalhaften Folgen.

Fluchtrouten

Irgendwann ist für Georg die Flucht nicht mehr vorrangig. Im Abspann ist Road to Nowhere von den Talking Heads zu hören. Die Flüchtlinge sind Gespenster im Transitraum Niemandsland. Keiner interessiert sich für sie. Die Fluchtrouten sind steinig und nicht offen für alle. Heute mehr den je nicht aber das war auch zu Zeiten Seghers so. Das sollten Politiker einmal nachlesen. Der Schutz von Flüchtlingen hat seit jeher nur solange gegolten, wie sich nicht allzu viele von ihnen auf den Weg gemacht hatten.

Shootingstar

Petzold hat die Parallelen von Seghers Roman zur Gegenwart erkannt. Einzig die abrupt einsetzende, aus der Buchvorlage stammende, Erzählstimme ist gewöhnungsbedürftig. Ein Barkeeper erzählt in der dritten Person und soll Georg stellvertretend für alle Flüchtenden eine Stimme verleihen. Franz Rogowski ist jedenfalls der Shootingstar des deutschen Kinos und nicht zuletzt er macht den Film sehenswert.

 

Christian Petzold | D/F 2018 | 102 Min. | 4 out of 5 stars

© Foto: Stadtkino Filmverleih

Leave a Comment

Consent Management Platform von Real Cookie Banner