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In einer Woche ist es wieder soweit. Am 4. März werden im Dolby Theatre in Los Angeles zum 90. Mal die Oscars vergeben. Jetzt könnten wir natürlich ganz entspannt bis nächsten Montag warten und in der Früh das Radio einschalten. Nun gibt es aber genug Filmbegeisterte, die nicht nur eine Nacht durchmachen, um die Verleihung live zu erleben. Spekulationen im Vorfeld über mögliche Gewinner gehören genauso dazu. Wettquoten spielen dabei eine große Rolle. Es ist so gut wie auf jedem Wettportal möglich, auf den eigenen Favoriten zu setzen. Die Mitglieder der Academy müssen ihre Stimmen aber bereits bis spätestens heute Abend abgegeben haben. Kurioserweise kann man also auf etwas wetten, dessen Ergebnis bereits feststeht. Alles streng geheim natürlich. Dafür sorgen die Notare von PricewaterhausCoopers. Sie haben in diesem Jahr während der Gala übrigens Handyverbot, damit sie sich besser auf die Kuverts konzentrieren können.

Ob der wichtigste Preis der Filmwelt tatsächlich die Höhepunkte des Jahres vereint, sorgt jedes Jahr für Diskussionen. Lobbyingarbeit spielt bis zuletzt eine große Rolle. Manche haben einen fixen Startplatz, wie Meryl Streep (21. Nominierung), der Fels in der Brandung der Schauspielkunst oder Steven Spielberg, der immer nominiert ist, wenn er sich einem ernsten Thema widmet. In diesem Jahr kommt hinzu, dass durch den Fall Weinstein und die darauffolgende #metoo Debatte sozialer Aktionismus groß geschrieben ist. Die Traumfabrik wurde von der Wirklichkeit eingeholt. Ob der neue Hashtag von größerem Erfolg gekrönt ist als #OscarsSoWhite, wird sich zeigen. Einfluss genommen hat #metoo jedenfalls schon bei der Auswahl der Nominierungen. James Franco wurde für „The Disaster Artist“ erst gar nicht nominiert. Casey Affleck verzichtet als Vorjahressieger auf die traditionelle Preisübergabe im Folgejahr. Dafür gilt Gary Oldman heuer als aussichtsreichster Kandidat obwohl ihm auch Gewalttätigkeiten vorgeworfen werden.

Damit nicht genug. Die ambivalente Rolle von Sam Rockwell, aussichtsreicher Kandidat für einen Oscar als Nebendarsteller, als rassistischer Polizist in „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ ist für manche zu positiv angelegt, als ob es darum ginge, das Publikum zu belehren. Political Correctness als Totschlagargument. Dabei wurde das Drehbuch von Martin McDonagh bereits bei den Filmfestspielen in Venedig ausgezeichnet.

Ob das Rockwell die Statuette noch abspenstig machen kann, ist eher unwahrscheinlich. Es lässt sich aber sagen, dass es selten so viele Diskussionen rund um die Oscars gegeben hat, die letzten Endes nichts mit der Qualität der Filme zu tun hatten. Produktionen mit sozialkritischem Hintergrund sind stark vertreten, auch in der Kategorie Bester Fremdsprachiger Film. Die Abrechnung mit dem linksintellektuellen Bildungbürgertums in „The Square“ zählt ebenso dazu, wie „Nelyubov“ von Andrey Zvyagintsev oder „Una mujer fantástica“. „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“, der große Gewinner der Golden Globes, passt in dieses Muster.

Für Regisseur Guillermo del Toro und sein Wassermärchen „The Shape of Water“ wird es wohl ein Start-Ziel-Sieg werden. Die Preisverleihungen der letzten Monate geben zwar Trends vor. Den großen Gewinner wird es bei den Oscars, die eigentlich Academy Awards heißen, in diesem Jahr aber nicht geben. Trotz der 13 Nominierungen für „The Shape of Water“.

In einem anderen Jahr wäre Christopher Nolan mit „Dunkirk“, seiner Ode an das Blockbusterkino, eine sichere Bank gewesen. In diesem Kontext hat es ein Antikriegsfilm jedenfalls schwer, sei er technisch auch noch so ausgereift. Da „Dunkirk“ auch ein Hörerlebnis ist, kann davon ausgegangen werden, dass der Film zumindest diesbezüglich honoriert wird.

Bis sich der Saal im Dolby Theatre füllt, bleibt genügend Zeit, um sich über die (weltweit) teils skandalösen Umstände in der Branche zu empören. Eine Empörung als Profilierung von Wichtigtuern, ohne die Ursachen zu bekämpfen. Hollywood war schon immer gut darin, die Wirklichkeit zu überspielen. Die nächste Party wartet schon.

© Foto: AMPAS

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