Während die hochschwangere Malorie (Sandra Bullock) noch unbedarft in ihrem Atelier den Pinsel schwingt, erreichen sie über den Fernseher fast beiläufig erste unheilvolle Nachrichten. Aus unerklärlichen Gründen begehen Menschen in mehreren Regionen auf der Welt plötzlich in Massen Selbstmord. Vorerst erschüttert sie und ihre Schwester Jessica (Sarah Paulson) das eher weniger. Schon kurz darauf bricht aber auch in ihrer Stadt das Chaos aus. Menschen laufen, stürzen und fahren in den Tod.
Soweit die Ausgangslage. Bald stellt sich heraus, dass eine unsichtbare Macht die Menschen bloß durch Augenkontakt in den Selbstmord treibt. Malorie flüchtet in ein Haus, in dem eine Gruppe von Menschen Zuflucht gefunden hat und die bald erkennen muss, dass sie in der Falle sitzt. Die Fenster verklebt und von der Außenwelt abgeschnitten.
Es ist das Haus von Douglas (John Malkovich), einem misanthropischen Bastard, der darauf bedacht ist, niemanden mehr herein zu lassen. Zu der illustren Runde gehören unter anderen Tom (Trevor Rhodes) und Sheryl (Jacki Weaver). Bald gesellt sich Gary (Tom Hollander) dazu. Ein kurzer Auftritt, der es in sich hat.
Unterschnitten wird die Geschichte mit Szenen von Malorie und zwei Kindern, die fünf Jahre in der Zukunft liegen. Irgendwo in der Wildnis irren sie mit verbunden Augen umher und begeben sich bald in einem kleinen Boot flussabwärts. Ziel unbekannt.
Bird Box beginnt stark, löst sein Versprechen aber nicht ein. Wie so oft in diesem Genre liegen auch diesem Mysterythriller gute Ideen zu Grunde, die sich aber offenbar nur schwer schlüssig umsetzen lassen. Nicht das alles bis ins letzte Detail erklärt werden muss aber ein paar Informationen bleibt der Film trotzdem schuldigt.
Der Film wartet mit einem tollen Ensemble auf. Malkovich ist in seinem Element und Rhodes, noch von Moonlight in guter Erinnerung, füllt die Lein.. nein, den Bildschirm mit seiner Präsenz. Bullocks Charakter bekommt durch ihre Schwangerschaft im Endzeitszenario eine Tiefe. Sie akzeptiert ihre Mutterschaft von Anfang an nicht, ist aber doch eine Kämpferin. Später auch für die Kinder. Bird Box ist auch ein Melodram.
Die Regisseurin Susanne Bier gewann 2010 mit A Better World den Oscar für den besten fremdsprachigen Film. Sicher ein gute Wahl, allerdings kann die Geschichte ihr volles Potential nicht ausschöpfen. Das Ende wird wie so oft eher wenige zufrieden stellen und der Weg dahin ist um gut eine viertel Stunde zu lang. „We make the end of the world great again!“ ruft Douglas einmal aus. Stimmt nicht ganz aber trotzdem ein markiger Spruch.
Netflix hält sich gewöhnlich mit der Preisgabe von Zuseherzahlen zurück. Bei Bird Box ist das nun anders. Kein Wunder, wurde der Film doch allein in der ersten Woche 45 Millionen Mal gestreamt. Umgelegt auf Kartenkäufe entspricht das bei einem Budget von kaum 20 Millionen US-Dollar einem außerordentlich großen Erfolg. Laut Angaben von Netflix wird erst gezählt nachdem mindesten 70% des Filmes konsumiert wurden. Der Film bekommt nun eine Aufmerksamkeit, die er bei einem regulären Kinostart wohl nie bekommen hätte. Das ist grundsätzlich nichts Schlechtes, ob es in diesem Fall gerechtfertigt ist, sei dahingestellt.
Gab es gerade noch die Diskussion, welche Filme bei Festivals zugelassen werden sollten und Unmutsäußerungen darüber, das Produktionen ein regulärer Kinostart verwehrt wird, so geht es jetzt mit Jahresende bereits einen Schritt weiter. Der Erfolg einzelner Produktionen ist natürlich ausschlaggebend dafür, was wir in Zukunft überhaupt zu sehen bekommen und Sehgewohnheiten sind auf dem Sofa andere als im Kino. Zumal Streamingproduktionen bestimmten rechtlichen und moralischen Anforderungen des jeweiligen Konzerns entsprechen müssen.
Die Filmwelt wird gerade auf den Kopf gestellt. Bird Box erfüllt seinen Zweck für einen Filmabend zu Hause. Nicht mehr und nicht weniger. Die Auswirkungen des Erfolges werden uns aber weiterhin beschäftigen.
Susanne Bier | USA 2018 | 124 Min. |
Foto (c) Netflix