Bevor das schwächelnde Kinojahr noch einmal in einen verheißungsvollen Herbst durchstartet, ist genügend Zeit um sich einen Film aus Österreich anzusehen, der einen so schnell nicht mehr loslassen wird.
Adrian Goiginger hatte das, was man eine schwierige Kindheit nennt. Er wächst ohne Vater bei seiner drogenkranken Mutter Helga auf. Fernab des noblen Salzburg, in dem man von Touristen überrannt wird und an jeder Ecke in eine Kirche stolpert, am Rande der Stadt, wo die Drogenszene in den 1990ern ständig am wachsen ist.
Der Tod seiner Mutter im Jahr 2012 hat Goiginger dazu bewegt, ihr seinen Debutfilm zu widmen. Portraitiert wird seine Mutter Helga (Verena Altenberger) aus der Sicht des siebenjährigen Adrian (Jeremy Miliker). Obwohl die Drogensucht in ihrer Wohnung allgegenwärtig ist, versucht Helga sie vor ihrem Sohn und dem Jugendamt zu verbergen. Sie schaffen sich beide eine Fantasiewelt, in der es nichts als Liebe, Abenteuer und Zuversicht gibt. Für die Beiden ist es „Die beste aller Welten„. Den kleinen Buben wird der Dämon aus seinen Träumen einholen, zu groß wird die psychische Belastung. Am Ende entlässt Goiginger die Zuseher aber in eine hoffnungsvolle Zukunft.
Die Kamera von Yoshi Heimrath und Paul Sprinz nimmt unter großem körperlichen Einsatz die Perspektive von Adrian ein und hat in dem 360 Grad Set großen Anteil daran, dass sich das Publikum wie mitten in der Wohnung fühlt, in der der Film über weite Strecken spielt. Die Clique schottet sich in der verdunkelten Wohnung dermaßen von der Außenwelt ab, dass beinahe jeder räumliche und zeitliche Bezugsrahmen fehlt. Diese Geschichte kann immer und überall spielen. Nur als am Hot Dog Stand (so 1990er!) in Schilling bezahlt wird, lässt sich eine zeitliche Verortung herstellen. Die Entscheidung, das Drehbuch im Salzburger Dialekt zu verfassen, dient weniger dem Lokalkolorit, als vielmehr der Authentizität.
Der tatsächlich erst siebenjährige Miliker spielt herzzerreißend und Altenberger schafft Überzeugend die Gradwanderung zwischen Drogensucht und dem Muttersein.
Goiginger packt das Publikum und nimmt es mit auf eine Reise in die Tiefen der menschlichen Seele. Sein Regieerstling, bei dem er auch das Drehbuch verfasst hat, ist keine Vorverurteilung von Drogenkranken, sondern eine schonungslose Milieustudie. Ein sehr persönlicher und erschütternder Film, der voll Spannung von einer liebevolle Beziehung unter extremsten Umständen erzählt.
Finanziert unter anderem durch das ORF Film/Fernseh-Abkommen, das die Produktion heimischer Kinofilme unterstützt. Nur weil demnächst wieder einmal über die Sinnhaftigkeit des ORF diskutiert werden wird.
Adrian Goiginger | AUT 2017 | 103 Min |