04_MOLLY_Unit_03284R_6dc63a5a9563a357db65c9b01d657623

I‚m the anti-wife.“, sagt der ehemalige US-Skistar Molly Bloom (Jessica Chastain) einmal. Schon auf der Piste ist der Körper ihr Kapital aber auch nachdem sie ihre Karriere wegen eines Unfalls beenden musste, weiß sie ihn geschickt einzusetzen. Neben Ehrgeiz, den sie von ihrem Vater und Trainer (Kevin Costner) geerbt hat, ist es ihr Scharfsinn, den sie unter ihrem Äußeren versteckt, das wie ein Schutzmantel funktioniert. Die Männer glauben, sie für ihre Interessen ausnutzen zu können aber in Wahrheit ist es umgekehrt. Bloom hat alles unter Kontrolle. Sie nutzt die Schwächen der anderen, ohne dass sie es bemerken. Eine clevere Art der Machtausübung. Doch letztlich geht es Bloom nur ums Überleben.

Ein Zweig ändert das Leben von Molly Bloom. Um die Sicht bei der Freestyle-Abfahrt zu verbessern, werden Zweige auf der Piste verstreut. Ein vereistes Stück Holz öffnet ihre Bindung. Der Sturz ist schwer, die Karriere beendet. Das alles erklärt Regisseur und Drehbuchautor Aaron Sorkin, auch mittels etwas überfordernden grafischen Einblendungen, mit einer Rasanz, dass man sich im Kinosessel förmlich festhalten möchte. Per Zufall steigt Bloom in das Pokergeschäft ein. Erst als Buchhalterin und schon bald organisiert sie eigene Pokerrunden in den besten Hotels. „Molly’s Game“ hält das hohe Tempo. Bloom selbst erzählt ihre Geschichte mittels Voiceover. Eine Herausforderung an das Publikum, dem keine Verschnaufpause gegönnt wird. Es ist eine unglaubliche Geschichte und sie ist wahr. Bloom hat ein Buch darüber geschrieben: „Molly’s Game: The True Story of the 26-Year-Old Woman Behind the Most Exclusive, High-Stakes Underground Poker Game in the World“. Der Titel ist keine Übertreibung.

Molly Bloom und die Russen.

Die Pokerspieler legen immer höhere Summen auf den Tisch. Blooms Einsatz bleibt aber ihr charmantes Auftreten. Sie passt ihr Aussehen ihrer Klientel an. Den ganzen Film über sieht man sie stets elegant aber mit tiefem Ausschnitt. Selbst Kritikerinnen mokieren, Sorkin sei zu sehr in Chastains Dekolleté verliebt. Doch genau darum geht es. Blooms Auftreten ist strategisches Kalkül. Was im Film ganz offensichtlich ist, ruft beim Publikum jedoch ein zweites Mal die selbe Reaktion hervor. Man reduziert sie auf ihr Aussehen. Sorkin und seine Kamerafrau Charlotte Christensen halten nicht nur dem männlichen Publikum den Spiegel vor.

 

Idris Elba als Charley Jaffey.

 

Doch dann wird Bloom einmal selbst zum Einsatz. Sie führt Buch und achtet darauf, dass sie sich nichts zu Schulden kommen lässt. Als die Einsätze immer höher werden und längst Hollywoodstars am Tisch sitzen wird die Russenmafia auf sie aufmerksam. Was wiederum das FBI auf den Plan ruft. Bloom wird zum Spielball der Justiz. Nach anfänglicher Skepsis nimmt sich Anwalt Charlie Jaffey (Idris Elba) ihrem Fall an. Auch er lässt sich von Blooms Erscheinung täuschen, deren gesamtes Vermögen vom FBI beschlagnahmt wurde.

 

Jessica Chastain hat lange gezögert, die Rolle anzunehmen. Das Frauenbild im Kino ist ihr ein großes Anliegen. Sorkins Zugang hat sie letztlich überzeugt. Bloom ist eine harte Geschäftsfrau, die sich den Respekt in der männerdominerten Pokerszene erst erkämpfen muss. Im Kontext der aktuellen Missbrauchsvorwürfe gewann der Film zusätzlich an Aktualität. „Molly’s Game“ ist ein hochspannender Thriller über Geschlechterverhältnisse geworden, erzählt aus der Sicht einer Frau.

Eine einsame Oscar Nominierung hat Aaron Sorkin für das Drehbuch seines Regieerstlings bekommen.

Aaron Sorkin | USA 2017 | 140 Min. | 4 out of 5 stars

© Fotos: Constantin Film

Leave a Comment

Consent Management Platform von Real Cookie Banner