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Peter Jackson wurde durch die Herr der Ringe-Trilogie weltberühmt, nun widmet er sich in einem Dokumentarfilm britischen Soldaten während des Ersten Weltkrieges. The Shall Not Grow Old ist dabei nicht nur ein gelungener Bericht aus der Perspektive der Soldaten sondern auch ein technisches Bravourstück.

600 Stunden Archivmaterial aus dem Imperial War Museum haben Jackson und sein Team gesichtet und geordnet. Angefangen von der Rekrutierung der noch motivierten jungen Männer, über die Zeit an der Front, das lange Warten im Schützengraben auf den nächsten Angriff und die folgliche Ernüchterung. Denn eines ist bald klar: die romantische Vorstellung von Krieg sollte sich zerschlagen.

„Your where either to be killed or wounded.“

Jene, die es zurück in die Heimat schaffen, werden alles andere als mit offenen Armen empfangen. Für die Daheimgebliebenen war der Krieg meist weit weg. Nun explodiert die Arbeitslosenrate. Für Heldentum ist da kein Platz. Dies alles ist mit Kommentaren von Zeitzeugen aus dem Off versehen. Es handelt sich dabei zum Teil um Tondokumente der BBC aus den 1960er Jahren.

Die anfängliche Euphorie ob der neuen Lebensaufgabe weicht bald dem Galgenhumor. Trotz Dreck, Schlamm und Kugelhagel bleibt das große Ziel, den deutschen Gegner zu besiegen, unter den Soldaten lange aufrecht. Anders würde ein Krieg auch gar nicht funktionieren. Irgendwann wird dann aber klar, dass sich auf der anderen Seite genauso nur junge Burschen befinden, die bei der Einberufung auch mit dem Alter gemogelt hatten, nur um dabei sein zu können. Viele sind noch nicht einmal 18 Jahre alt.

„I liked to be told, what I have to do. Because there was a reason for doing it.“

Die Kommentare aus Briefen und Tagebüchern geben einen spannenden Einblick in das Denken der jungen Männer. Das besondere an The Shall Not Grow Old ist aber, was Peter Jackson mit dem originalen Bildmaterial angestellt hat. In den ersten 25 Minuten sieht man die gewohnten Aufnahmen. Schwarzweiss, stumm, füllen sie nur einen Teil der Leinwand aus und immer sind sie etwas zu schnell. Letzteres lag daran, dass dieses Filmmaterial eine Bildrate von nur 15, 16, 17 Bildern pro Sekunde hat. Je nachdem wie schnell der Kameramann die Kurbel an der Kamera drehte.

Nach diesem ersten Teil weitet sich auf einmal das Bild auf der Leinwand. Die Bewegungen werden fließender und das Schwarzweiss wird von Braun- und Grüntönen verdrängt. Vermittelte das historische Material gerade noch die ihm eigene Distanz, verlieren die digital restaurierten Bilder nun an Abstraktheit. Die Soldaten blicken in die Kamera. Sie schauen uns an. Panzer brummen. Dann beginnen die Soldaten auch noch zu sprechen. Lippenleser versuchten zu entschlüsseln was sie wohl damals gesprochen hatten.

„We developed the animal charateristic of killing.“

They Shall Not Grow Old ist technisch überwältigend und daneben auch auf historischer Ebene überzeugend. Peter Jackson ist nicht am großen Ganzen und Zusammenhängen interessiert, sondern an den Details. Auf Analysen von Historikerin wurde verzichtet. Das macht die Dokumentation zu einem persönlichen Portrait der Soldaten. Obwohl sie anonym bleiben.

Sie befolgten Befehle, bis es keine mehr gab, weil niemand mehr da war, der Befehle geben konnte, heißt es einmal. Es ist erschreckend, wie leicht Menschen dazu zu bewegen sind, in den Krieg zu ziehen und sich dabei bedingungslos unterordnen.

„The veneer of civilizations has dropped away.“

THEY SHALL NOT GROW OLD | Peter Jackson | UK/NZ 2018 | 99 Min | 4 out of 5 stars


Weiterführende Videos zu They Shall Not Grow Old

Wie kommen die Geräusche in das stumme Filmmaterial?
Peter Jackson spricht über den Produktionsprozess von They Shall Not Grow Old.

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