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Eine Satire, die von der Wirklichkeit überholt wird. Gibt es das? Was von Regisseur Adam McKay (Vice – Der zweite Mann) als Persiflage auf Klimawandel- und Wissenschaftsleugner gedacht war, steht durch die COVID-19-Pandemie in einem völlig anderen Licht. Don’t Look Up tut das leider alles andere als gut. Was man vor kurzem nicht für möglich gehalten hätte, dass nämlich eine unmittelbare Gefahr um Leib und Leben trotz eindringlicher Warnungen der Wissenschaft schlicht ignoriert wird, ist Teil unseres täglichen Lebens geworden. Der Film hat dem leider, trotz aller Ambitionen, nicht mehr all zu viel hinzuzufügen.

Darum geht es

Kate Dibiasky (Jennifer Lawrence), eine Doktorandin in Astronomie an der Michigan State University, entdeckt einen ungewöhnlichen Kometen. Ihr Professor, Dr. Randall Mindy (Leonardo DiCaprio), berechnet, dass er die Erde und die Weltbevölkerung in sechs Monaten und vierzehn Tagen zerstören wird.

Kurz nach der Entdeckung sitzen die Beiden in einer Militärmaschine Richtung Washington. Doch im Weißen Haus findet die Präsidentin (Meryl Streep) zum Erstaunen beider nicht sofort Zeit, um die Wissenschaftler zu empfangen. Sie sorgt sich um die anstehenden Midterm Wahlen und möchte mit der Information vorerst nicht an die Öffentlichkeit gehen. Mindy und Dibiasky beschließen, sich selbst in einer Talkshow an die Öffentlichkeit zu wenden.

Die beiden Wissenschaftler werden prompt zum Gespött im Internet. Kaum jemand nimmt sie ernst. Erst als die Präsidentin eine Ablenkung von einem Skandal benötigt, der sich negativ auf die Wahlen auswirken würde, wendet sie sich in einer Rede an die Nation. Der Unternehmer Peter Isherwell (Mark Rylance) wiederum möchte die wertvollen Rohstoffe im inneren des Kometen nutzen. Ein Wettlauf gegen die Zeit und gegen unterschiedliche Interessen beginnt.

Jason Orlean (Jonah Hill) und seine Mom Präsidentin Orlean bringt der nahende Weltuntergang nicht aus der Ruhe.

Kommentar

Adam McKay hat sich einen Namen damit gemacht, komplexe Sachverhalte (The Big Short, 2015) auf witzige und kreativ Weise aufzuarbeiten und für ein breites Publikum zugänglich zu machen. Einblendungen von Texten und Erzählstimmen aus dem Off kombiniert mit einem rasanten Schnitt sind mitunter anstrengend und fordern die Konzentration. Der Genremix aus Drama und Komödie und ein Fülle an kreativen Einfällen geben den Themenfelder aber eine gewisse Leichtigkeit. Mit Don’t Look up schaltet McKay nun ein paar Gänge zurück.

Der Film macht vieles richtig. Er ist über weite Strecken komisch. Allen voran stehen zwei verschrobene Wissenschaftler (DiCaprio und Lawrence), denen es mit ihrer Art und Weise nicht gelingen kann, die Öffentlichkeit von ihrem Anliegen zu überzeugen. Sie sind überhaupt nicht in der Lage, den heutigen Kommunikationsformen zu entsprechen oder gar Glaubwürdigkeit zu vermitteln. Dabei könnte man meinen, dass die Botschaft „Wir werden alle Sterben“ klar und unmissverständlich ist. Es hört nur niemand zu. Die Beiden stehen einer All-Star Besetzung vor, die sich sehen lassen kann. Cate Blanchett beweist einmal mehr ihre unglaubliche Wandlungsfähigkeit. Meryl Streep ist gewohnt souverän. Der rasante, fast schon wilde Filmschnitt von Hank Korwin ist ein Vergnügen für sich. Die Musik von Nicholas Britell (Beale Street, Moonlight) ist wunderbar wie immer. Das großartige Ende dürfte für McKay nur schwer durchzusetzen gewesen sein, obwohl er selbst produziert hat.

Natürlich hat sich Adam McKay die Story vor der Pandemie ausgedacht (nach einer Idee von David Sirota, unter anderem Redenschreiber für Bernie Sanders). Im Fokus stand dabei die Leugnung des Klimawandels und die große Skepsis vor wissenschaftlichen Erkenntnissen. 2020 musste der Drehstart verschoben werden. Die Dreharbeiten fanden dann während der Pandemie statt, zu einer Zeit, als sich die Welt grundlegend veränderte und das zentrale Thema des Filmes auf einmal unseren Alltag bestimmte. Don’t Look up beschreibt nun eine Wirklichkeit (sei es die offensichtliche Anlehnung des Charakters der Präsidentin an Donald Trump oder den Umgang mit Information und die Macht des Internets bei der Bestimmung der Diskurshoheit) und hat ihr nichts hinzuzufügen.

Es ist das Dilemma von satirischen oder kabarettistischen Beiträgen, dass sie in der Regel nicht das Publikum erreichen, das damit zum Nachdenken angeregt werden könnte, sondern jenes, das im selben Mindsest verankert ist. Das war auch ein Kritikpunkt von Vice – Der Zweite Mann. In diesem Fall könnte das sogar anders sein. Sowohl die Besetzung als auch Netflix als Verbreitungsmedium werden das ermöglichen. Natürlich liegt hier das Schicksal der Welt und die Definition davon, was Wahrheit ist in den Händen der USA. Da nützt es nichts, stakkatoartig Bilder aus aller Welt zusammenzumontieren, um die globale Problematik ins Bewusstsein zu rücken. Geschenkt.

Aber wo genau liegt nun der Mehrwert dieser Science-Fiction-Satire? Eine Satire, die einzig ein Abbild der Wirklichkeit ist und genau von dieser bereits in unglaublicher Weise überholt wurde, hat dieser Realität nichts mehr hinzuzufügen. In der kleinen Twitter-Gemeinschaft hört man: ja, das ist doch unser tägliches Leben! Ja schon, aber ist nicht die stilistische Überhöhung eine Aufgabe von Satire? Sie ist hier allein durch die akute vernichtende Gefahr gegeben. Darüber hinaus bleibt McKay, so absurd es klingen mag, zu nah an der Realität. Was für ein Sittenbild unserer Gesellschaft! Er nimmt jene überhaupt nicht in die Verantwortung, die möglicherweise massgeblich Mitschuld sind an unserer verworrenen und fast ausweglosen Situation. Jene nämlich, die den Diskurs mit harten Fakten bestimmen wollten und die Hoheit über ihn aus der Hand gegeben haben. Sei es aus geistiger Präpotenz oder schlichtem Unvermögen. Ist es nicht auch eine Aufgabe von Satire Kritik zu üben und eine neue Bewusstseinsebene zu schaffen? Genau das passiert in Don’t Look Up nicht.

Unterhalten wird man trotzdem, auch wenn der Film das Problem von zur Zeit vielen anderen teilt. Er ist zu lang geraten. Das macht sich vor allem in der zur Wiederholung neigenden zweiten Hälfte bemerkbar. Trotz des ungewöhnlichen Endes. An die Genialität seiner früheren Arbeiten kommt Adam McKay diesmal leider nicht heran.

Don’t look up
Sci-Fi-Satire, USA 2021

Regie Adam McKay
Drehbuch Adam McKay
Kamera Linus Sandgren
Schnitt Hank Korwin
Musik Nicholas Britell
Mit Leonardo DiCaprio, Jennifer Lawrence, Meryl Streep, Cate Blanchett, Jonah Hill, Mark Rylance
Länge 138 Min.
Streamingplattform
Netflix


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