Einmal wird Chiron, die Hauptfigur in Jenkins‘ Filmdrama, nach einer Schlägerei im Klassenzimmer von der Polizei abgeführt. Ansich harmlos, hat man im vergangenen Jahr jedoch Dokumentationen wie 13TH gesehen, weiss man, was dies für Konsequenzen hat. Als Afroamerikaner kommt Chiron ins Gefängnis. Das erklärt auch den bitterbösen Blick Denzel Washintons während der Dankesrede von Casey Affleck bei der diesjährigen Oscar Verleihung. Auch wenn es bei Affleck wegen der Vorwürfe der sexuellen Belästigung zu keiner Verurteilung gekommen ist (man einigte sich außergerichtlich), als Schwarzer wäre er allein des Verdachts wegen ins Gefängnis gekommen.
Doch diese gesellschaftspolitischen Gegebenheiten interessieren Jenkins nur am Rande. MOONLIGHT spielt anfangs im Drogenmilieu der Suburbs Miamis, liefert jedoch eine völlig neue Perspektive. Chiron ist homosexuell. Der Film zeigt aus der Sicht von Chiron, wie seine Umwelt damit umgeht und wie er selbst mit seinem Schicksal hadert. Gängige Klischees werden gesprängt, etwa wenn der eine Art Vaterrolle einnehmende Drogendealer (Mahershala Ali) dem kleinen Buben bedacht über seine Sexualität aufklärt. Später als Erwachsener hat sich Chiron nach Außen hin zu einem starken Kerl entwickelt. Hinter der Fasade sieht es jedoch anders aus. Der Soundtrack widerspiegelt diese innere Zerrissenheit Chirons, reicht von basslastigen Klassikelementen bis Rap. Da kann so manches Musical die Koffer packen. Zum Nachhören taugt der Soundtrack nur bedingt. Die Tracks werden nur angespielt und lieblos ausgeblendet.
MOONLIGHT ist wie ein Triptychon aufgebaut und behandelt drei Lebensabschnitte. Titelgebend sind die jeweiligen Spitznamen Little, Chiron und Black. Daher wird Chiron auch von drei unterschiedlichen Darstellern verkörpert: der neunjährige Little von Alex R. Hibbert, der Teenager von Ashton Sanders und schließlich als Erwachsener mit harter Schale und weichem Kern von Trevante Rhodes. Diese dramaturgischen Brüche schmälern die aufkommende Empathie für den Charakter keineswegs. Die Kamera von James Laxton hat großen Anteil daran. Der subjektive Stil schafft eine besondere Nähe zu den Protagonisten.
Mahershala Ali ist nach Hidden Figures abermals in einer einprägsamen, diesmal Oscar prämierten Nebenrolle zu sehen. Man darf auf seine erste Hauptrolle gespannt sein.
MOONLIGHT gebührt Anerkennung. Die Academy hat dies erkannt. Im Oktober startete der Film in den USA in vier Kinos, im Februar lief er auf 1.014 Leinwänden. Mit einem Budget von 1.5 Mio. USD der günstigste Gewinner überhaupt und der erste Oscar für einen Film eines afroamerikanischen Regisseurs – bei der 89. Verleihung. Ein in vielerlei Hinsicht bedeutender Film.
Barry Jenkins | USA 2016 | 115 Min.