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Ein Jahr nach seinem großen Erfolg BlackKklansman kehrt Spike Lee mit einem Film zurück, der den Nerv der Zeit trifft. Lees Filme tun das immer wieder und wenn er gerade jetzt bei Netflix eine Geschichte erzählt, die den Bogen vom Vietnamkrieg bis zur Black Lifes Matter Bewegung in die Gegenwart spannt, dann ist das natürlich ein Glücksfall. Da 5 Bloods lässt sich nicht einfach in eine Schublade stecken: Vergangenheitsbewältigung, Schatzsuche und Vater-Sohn-Konflikt eingebettet in eine Gesellschaftskritik. Aber schießt Lee da übers Ziel hinaus?

Gleich zu Beginn wird es heftig. Historische Filmaufnahmen aus der Zeit des Vietnamkriegs prasseln in einer Collage auf uns nieder. Durch ihre Brutalität haben sie zum Teil entscheidenden Einfluss auf politische Entscheidungen genommen. Überdurchschnittlich viele schwarze US-Amerikaner hatten ihren Dienst als Soldaten versehen. Vier von ihnen treffen sich nun wieder in Vietnam, um die Überreste ihres gefallenen Kumpels Norman (Chadwick Boseman) zu suchen und in die Staaten zu überstellen. Es ist eine heitere Runde und der Kontrast zum gerade Gesehenen ist groß. Eddie (Norm Lewis), Paul (Delroy Lindo), Clarke Peters (Otis) und Isaiah Whitlock jr. (Melvin) stürzen sich ins bunte Nachtleben von Saigon. Es sind sehr unterschiedliche Typen, die hier aufeinandertreffen. Paul outet sich bald als Trump-Wähler. Er hätte die Mauer lieber heute als Morgen fertiggestellt. Lee versucht die Vielfältigkeit der schwarzen Bevölkerung herauszustreichen und liefert gleich das passende Newsmaterial aus Trumps Wahlkampf. Die Handlung wird immer wieder durch Einschübe unterbrochen. Mal sind es Archivbilder und dann wieder Rückblenden, welche die Protagonisten im Krieg zeigen.

Hier hält sich Lee nicht lange damit auf, seine Schauspieler digital oder mit Make-up zu verjüngen, sondern ändert stattdessen das Bildformat in diesen Sequenzen zu 4:3. Es ist so ein Flickenteppich der hier entsteht, zwischen gegenwärtiger Handlung, Archivbildern und Rückblenden. Eingewoben in die Handlung ist das legendäre Konzeptalbum „What’s going on“ von Marvin Gaye. Es fügt sich wunderbar in die Geschichte ein und ist neben den hervorragenden Schauspielern der große Pluspunkt von Da 5 Bloods.

Die Rahmenhandlung umfasst neben der Suche nach Norman eine Schatzsuche und hier wildert der Film in B-movie Gewässern. Lee nimmt Anleihen bei Tarantino und Splatterfilmen. So treffen die Männer anfangs auf Mélanie Thierry (Hedy Bouvier). Sie leitet eine Organisation zur Beseitigung von Landmienen. Es dauert dann etwas in diesem überlagen Film aber es kommt wie es kommen muss. Jean Reno spielt einen finsteren (französischen!) Geschäftsmann. Das mutet im Kontext der gesellschaftspolitischen Botschaften, die uns hier um die Ohren fliegen, schon fast skurril an. Zitate aus Apocalypse Now dürfen hie und da auch nicht fehlen, auch Richard Wagners Walkürenritt nicht.

Das ist etwas viel auf einmal. Man bleibt schon dran an der Geschichte aber es wirkt alles überladen. Da 5 Bloods ist ein ambitioniertes Unterfangen, kann qualitativ aber nicht an seinen Vorgänger anschließen. Vielleicht hat der Film beim Streamingdienst zumindest die Chance, ein größeres Publikum zu erreichen, als es im Kino der Fall gewesen wäre. Dort hätte es Da 5 Bloods wohl schwer gehabt.

DA 5 BLOODS | SPIKE LEE | USA 2020 | 154 Min. 3.5 out of 5 stars


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