Koerper-und-Seele-Szene-4

Der recht sperrige Titel täuscht vielleicht darüber hinweg, dass es sich hier um eine große Liebesgeschichte handelt. Regisseurin Enyedi zeigt, wie sich zwei fragile Menschen näher kommen, die bisher zu keiner Beziehung fähig waren.

Der Fragilität steht die strahlend weiße Kulisse eines Schlachthofes gegenüber in der Körper und Seele – der Film spielt. Hier werden Tiere mit einer klinischen Nüchternheit getötet und zerlegt. Mit derselben Präzision durchleuchtet Enyedi das Wesen ihrer beiden Hauptdarsteller. Mária (Alexandra Borbély), die Neue in der Qualitätskontrolle und Endre (Géza Morcsányi), der Finanzchef.

Der Film wagt einen tiefen Blick dahin, was man gemeinhin als Seele bezeichnet. Mária ist Autistin und zu keinem sozialen Leben fähig. Jede auch nur unabsichtliche Berührung ist ihr unangenehm. Endre hat Beziehungen, die sich auf Körperlichkeit beschränken. Durch seinen gelämten Arm sieht er sich außer Stande, mit einer Frau einen tiefergehenden Kontakt aufzubauen. Liebe ist für beide nicht denkbar. Zusehr steht der eigene Körper und die Scheu vor anderen Menschen im Weg.

Zu einer ersten Begegnung kommt es in der grellen Kantine. Dort, wo in der täglichen Routine die Belegschaft aufeinander trifft und es keinen Winkel gibt, um sich vor den Blicken der anderen zu schützen. Es ist ein langer Weg der sich abwechselnden Annäherung und Zurückweisung bis Endre durch die laufende Untersuchungen einer Arbeitspsychologin erfährt, dass er mit Mária ein und denselben Traum teilt. Enyedi zeigt die Traumsequenzen von Beginn an. Zwei Hirsche im winterlichen Wald, die sich auf ähnlich vorsichtige Weise näher kommen. Ein entscheidender Impuls für Endre, auf Mária zuzugehen.

Man spürt förmlich die Spannung in der Luft, wenn sich die beiden gegenüber sitzen. Die kühlen Bilder von Kameramann Máté Herbai erinnern in ihrer Komposition an zeitgenössische Fotografie, gehen auf Distanz und fangen das Umfeld von Mária und Endre aus einer beobachtenden Perspektive ein.

KÖRPER UND SEELE ist eine tiefgründige Analyse Zweier, die große Überwindungen auf sich nehmen müssen, um einander näher zu kommen. Mit einer gehörigen Verspätung ist der Gewinner des Goldenen Bären bei der Berlinale 2017 bei uns angelaufen. Zu sehen im CineCenter Wien und VOTIVKINO / DE FRANCE.

Idikó Enyedi, HU 2017 116 Min.

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