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Im Kino

Wenn draußen die Sonnenstrahlen flacher werden und es ohnehin wieder viel zu schnell gegangen ist mit dem Herbst, dann steht einem Kinobesuch nicht mehr viel im Weg. Da trifft es sich gut, dass es auch jene Zeit ist, wo das Programm immer dichter wird, bevor es in etwa drei Wochen mit der Viennale losgeht. Eine der österreichischen Produktionen, die gerade angelaufen sind, ist Sonne von Kurdwin Ayub. Darin porträtiert die Regisseurin drei junge Frauen in Wien, die durch ein YouTube-Video in ihrer Community über Nacht berühmt werden.

Darum geht es

Drei Wiener Teenagerinnen twerken im Hijab und singen zu Losing my Religion von R.E.M. Ein YouTube-Video davon macht sie vor allem unter kurdischen Muslimen über Nacht berühmt. Yesmin, die als einzige der Freundinnen selbst Kurdin ist, beginnt sich immer weiter von ihrer Kultur zu distanzieren. Nati und Bella scheinen hingegen fasziniert von der ihnen fremden Welt. Als die Mädchen zwei junge kurdische Patrioten kennenlernen, droht die Situation zu eskalieren. Ein Film über Jugendliche zwischen Social Media und Selbstfindung, eine Geschichte von Rebellinnen. (Ulrich Seidl Filmproduktion)

Melina Benli: in SONNE von Kurdwin Ayub
Melina Benli: in SONNE von Kurdwin Ayub

Kommentar

Meine 11-Jährige Tochter hat einen Youtube-Kanal. Das Drehen von Videos und sich im Internet zu präsentieren ist für viele Kinder und Jugendliche zu einer fixen Freizeitbeschäftigung geworden. Auch wenn zwischen ihr und den drei Protagonistinnen fast ein halbes Leben liegt, ist es auch genau ihre Welt die Kurdwin Ayub hier porträtiert. Das Thema der eigenen kulturellen Identität wird für sie zwar in der zweiten Generation kaum mehr ein Thema sein, in ihrem Umfeld ist es aber natürlich sehr präsent. Soviel vorweg: Sonne funktioniert auch bei einen jüngeren Publikum sehr gut.

Es ist natürlich unverkennbar, wer der Mentor der Regisseurin ist. Sowohl die Arbeitsweise mit Laiendarstellern, als auch die Montage erinnern an Ulrich Seidl, der den Film auch produziert hat. Die viel gepriesene und in der Zwischenzeit etwas in Verruf geratene Authentizität, als Folge der Spontanität und einem Cast mit Menschen aus dem Milieu, ist auch in Sonne spürbar. Yesmins Eltern sind in Wirklichkeit jene der Regisseurin, die einst aus dem Irak fliehen mussten. Bei Erwachsenen ist gegen diese Methode auch nichts einzuwenden.

In der Gestaltung geht Ayub noch einen Schritt weiter und baut sowohl Youtube-Videos, als auch Chats in ihre Film ein. Im Bild aufpoppende Nachrichten kennt man nun schon zu genüge aus Romcoms und ähnlichem. Hier wird es nun aber als Teil der Welt verstanden, in der sich die Jugendlichen bewegen und dient nicht bloß als gestalterisches Element. Kommunikation passiert eben nicht mehr in erster Linie persönlich, sondern über Chats. Dem muss man auch im Kino irgendwie gerecht werden.

Sonne ist ein gelungenes Porträt von Jugendlichen, die kurz vor dem Erwachsensein stehen und sich neben der Emanzipation von den Eltern auch noch mit ihrer kulturellen und religiösen Identität herumschlagen müssen. Dabei kann schnell das Fremde, so wie für Yesmins Freundinnen Bella und Nati, auf einmal das Interessante sein.

SONNE
Drama, A 2022

Regie Kurdwin Ayub
Drehbuch Kurdwin Ayub
Kamera Enzo Brandner
Schnitt Roland Stöttinger
Mit Melina Benli, Law Wallner, Maya Wopienka
im Kino


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