Es gibt Filme, bei denen sich bei mir nach dem ersten Mal Ansehen nicht die große Begeisterung einstellt, wenngleich nicht zu bestreiten ist, dass es da etwas gibt, das sie zu etwas besonderem macht. Das war bei David Lowerys A Ghost Story (Viennale, 2017) so und gestaltet sich ähnlich bei seinem neuen Film The Green Knight, einer Geschichte rund um die Artus Legende. Diesmal muss man eine gehörige Portion Geduld mitbringen, um bis zum Ende durchzuhalten und die volle Schönheit dieses Fantasy-Dramas erfahren zu können.
Darum geht es
Der König (Sean Harris) hat Zahnweh. Die glorreiche Zeit ist längst vorüber. Den Weihnachtsabend verbringt er gemeinsam mit seinen Rittern an der runden Tafel. Als ein mysteriöser Reiter erscheint und ihm zum Duell auffordert, muss er passen. Der Geist ist willig, allein der Körper macht nicht mehr mit. Die Bedingung des Fremden: Man darf einen Schlag gegen ihn ausführen. Sollte er jedoch überleben, muss sein Gegner ihn in genau einem Jahr in seiner grünen Kapelle aufsuchen und wiederum einen Schlag über sich ergehen lassen. Gawain (Dev Patel), des Königs Neffe, stellt sich dem Fabelwesen, hab Mensch, halb Baum. Das Duell mutet mehr wie eine Hinrichtung an. Dann passiert gar seltsames und der Reiter zieht davon. Gawain hält es für ein Spiel. Fast ein Jahr vergeht, bis ihn König Artus an sein Versprechen erinnert und ihn auf eine Reise in den Norden schickt, um die Grüne Kapelle aufzusuchen und zu beenden, was ein Jahr zuvor begonnen hatte. Gawain, zufrieden mit seinem lasterhaften Leben und seiner Romance mit einer Lady (Alicia Vikander), macht sich widerwillig auf den Weg.
Kommentar
Es gibt großartige Momente in The Green Knight, eingefangen in wunderschönen Bildern von Kameramann Andrew Droz Palermo. Zum Beispiel als Gawain im Wald ausgeraubt wird, gefesselt auf dem Boden liegt und verrottet, nur um in einer 360 Grad Kamerafahrt eine Wiederauferstehung zu erfahren. David Lowerys Erzählung strotzt vor visuellen Ereignissen. Er hat eine eigene mittelalterliche Welt erschaffen. Sie ist nicht nur finster, wie wir dieses Zeitalter ohnehin kennen, sondern voll Metaphorik, eingehüllt in Nebel, umgeben vom feuchten Duft von Erde und Moos. Es sind Stimmungen, die lange in Erinnerung bleiben werden.
Is it wrong to want greatness for you?
König Artus zu Gawain.
Gleichzeitig verlangt er dem Publikum einiges ab. Das Erzähltempo ist bedächtig und es ist keineswegs immer klar, was hier vor sich geht. Es dauert eine ganze Weile, bis sich Gawain endlich auf den Weg machen muss. Lowery hat sich von der Ritterromanze Sir Gawain and the Green Knight aus dem 14. Jahrhundert inspirieren lassen. Die ursprüngliche Form der Erzählung ist im Film spürbar. Wir haben es mit keinem Abenteuer- oder Actionfilm zu tun, sondern mit einer Reise, die mehrmals vom Pfad des körperlichen Daseins abkommt.
Jede Bewegung des grünen Ritters (kommt leider viel zu kurz vor, eine sehr spannende Figur!) wird von einem Knirschen und Knacken begleitet, das die Nähe der Natur in dieser Geschichte unterstreicht. Vikander hält einen eindringlichen Monolog über den Kreislauf der Natur. Gawain ist der Welt völlig ausgesetzt, hat sein behütetes Nest wohl noch nie verlassen. Seine Ängstlichkeit und Unsicherheit überträgt sich auf das Publikum, dem allerhand Interpretationsspielraum gegeben wird. Etwas, das viel zu selten ist, bekommen wird doch heute oftmals die Erklärung sofort und manchmal gleich doppelt geliefert. Auch so gesehen ist David Lowery ein erfrischender Film gelungen.
The Green Knight
Fantasie-Drama, 2021
Regie David Lowery
Drehbuch David Lowery
Kamera Andrew Droz Palermo
Schnitt David Lowery
Musik Daniel Hart
Mit Dev Patel, Alicia Vikander, Joel Edgerton, Sean Harris
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