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First Cat und First Dog kennen wir aus dem Weißen Haus. Die Ehre dieses Titels wird in Kelly Reichardts neuem Film einer Kuh zu Teil. First Cow reiht sich in das ungewöhnlich minimalistische Werk der Regisseurin ein und fordert die Geduld und die Bereitschaft des Publikums, sich auf ihre Geschichte einzulassen. Durch ein historisches Detail entfaltet sich hier die volle imaginäre Kraft des Kinos. Man muss genau hinhören und hinschauen und wird am Ende mit einer wunderbaren Erzählung belohnt werden.

Darum geht es

Der Koch Otis Figowitz (John Magaro), genannt Cookie, gelangt in den 1880er Jahren mit einer Gruppe Pelzjäger in das Oregon Territory. Dort trifft er auf den chinesischen Immigranten King-Lu (Orion Lee). Als der Grundbesitzer Chief Factor (Toby Jones) die erste Milchkuh in die Region bringt, starten die beiden damit, Schmalzgebäck auf dem Markt zu verkaufen. Mit großem Erfolg. Allerdings müssen sie sich eine wichtige Zutat des Nächtens auf illegalem Weg beschaffen. Der Schwindel droht bald aufzufliegen und setzt die beiden Freunde immer mehr unter Druck.

King-Lu und Cookie in den Wäldern von Oregon.

Kommentar

Ende des 19. Jahrhunderts zogen viele Siedler in den USA Richtung Westen, um sich ein neues Leben aufzubauen. Das Oregon Territory war ein dünnbesiegeltes Gebiet in dem noch die Wildnis vorherrschte. Es war kein eigenständiger Bundesstaat und wurde von der Bundesregierung verwaltet. Zudem war es zwischen den Vereinigten Staaten und Großbritannien aufgeteilt. Während man in Großstädten wie New York bereits die Vorzüge der Industriellen Revolution genießen konnte, lebte man im Westen buchstäblich im Schlamm.

Kelly Reichardt wirft einen Blick auf diese Pioniere, die in Holzhütten unter bescheidensten Verhältnissen hausten und auf der Suche nach dem großen Glück waren. First Cow basiert lose auf der Erzählung The Half Life von Jonathan Raymond, mit dem Reichardt gemeinsam ihre Drehbücher verfasst. Neben dem American Dream der Pioniere geht es hier um kapitalistische Strukturen. Im Zentrum steht eine Männerfreundschaft. Es gibt einen in der Gegenwart spielenden Prolog, der dies bereits andeutet.

Das erste Aufeinandertreffen der Protagonisten steht unter keinem guten Stern und in einem klassischen Western, mit dem wir es hier nicht zu tun haben, dessen Elemente Reichardt aber aufgreift, würde die Geschichte schon hier einen anderen Verlauf nehmen. Es folgt aber ein Zeitsprung nach dem Cookie und King-Lu bereits Freunde sind. Ihre Lebensumstände erlauben es ihnen nicht, sich zurückzulehnen. Mit allen Mitteln muss versucht werden, sich durchs Leben zu schlagen. Wer eine gute Idee hat, den belohnen die Kräfte des Marktes.

Mag sein, dass First Cow manche gelangweilt oder frustriert zurücklässt. In der Ruhe und Einfachheit der Inszenierung liegt aber ihre große Kraft und Schönheit. Eine Geschichte über frühes Unternehmertum, Betrug, Freundschaft und große Träume. Es ist eine Parabel über den Kapitalismus, in dem man den anderen immer einen Schritt voraus sein muss um Erfolg zu haben und dabei nicht ganz ohne Gaunerei auskommt. Cookie und King-Lu träumen davon, ein Hotel in San Francisco zu eröffnen. Wo wären wir heute, wenn es nicht immer Menschen gegeben hätte, mit solch großen Zielen vor Augen?

First Cow

Drama, USA 2019
Regie
Kelly Reichardt
Drehbuch Jonathan Raymond, Kelly Reichardt
Kamera Christopher Blauvelt
Schnitt Kelly Reichardt
Musik William Tyler
Mit John Magaro, Orion Lee
Länge 121 Min.
Streamingplattform Mubi


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