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(… of the Liberty, Kansas Evening Sun)

Der fahrende Gaukler Wes Anderson ist wieder einmal mit seinem Guckkasten auf Tournee. Sein 10. Spielfilm ist eine Liebeserklärung an den New Yorker und dessen Gründer Harold Ross. In den üppigen Filmsets ist wie immer alles adrett auf seinem Platz. Ein Hochamt der Symmetrie. Die Unordnung entsteht erst durch das rasante Erzähltempo.

Darum geht es

Wes Anderson hatte bereits angekündigt, dass sein neuestes Werk inhaltlich schwer zu fassen sei: Ein amerikanischer Journalist, der in einer französischen Kleinstadt in der Mitte des 20. Jahrhunderts ein Magazin herausgibt, das irgendwie an den New Yorker erinnert. Man muss sich das so vorstellen, als hielte man ein Magazin in Händen. Drei Kurzgeschichten, erzählt von den jeweiligen Reporter:innen werden eingerahmt von einem Prolog und einem Epilog. In The Concrete Masterpiece berichtet J.K.L. Berensen (Tilda Swinton) von einem inhaftierten Maler (Benicia del Toro), seiner Muse Simone (Léa Seydoux) und dem Kunsthändler Julien Cadazio (Adrien Brody). In Revisions to a Manifesto ist der junge Revolutionär Zeffirelli das Objekt der Begierde der Journalistin Lucinda Kremetz (Frances McDormand). Sie erzählt von Studentenprotesten in der Kleinstadt. In The Private Dining Room of the Police Commissioner löst der Küchenchef und Polizeibeamte Lt. Nescaffier (Stephen Park) einen Fall von Kidnapping. Der Sohn des Kommissars (Mathieu Amalric) ist verschwunden. Roebuck Wright (Jeffrey Wright) berichtet.

Kommentar

Es scheint sich eine allgemeine Wes Anderson-Müdigkeit einzustellen. Schon wieder diese überladenen Bilder. Mehr Filmstars als auf einem Plakat Platz haben und alles so furchtbar manieriert und retro. So lauten die Kommentare. Dabei wird völlig ausser Acht gelassen, dass Anderson seinen eigenen Stil perfektioniert hat, wie kein zweiter. Dem Publikum öffnet sich eine Wunderkammer, in der es mehr zu entdecken gibt, als im ersten Moment fassbar ist. Die Detailverliebtheit steht dem schnellen Erzähltempo gegenüber. Fokussiert man sich auf ein Objekt oder frönt den immer wieder beeindruckenden Bildkompositionen, hat man womöglich bereits die nächste Pointe verpasst.

Neu ist hier das Format des Episodenfilms. Drei Jahre nach Isle of Dogs – Ataris Reise präsentiert uns der Regisseur in seinem 10 Spielfilm eine Ode an die freie Presse. Jede der drei Geschichten folgt einem anderen Stil. Gemeinsam ist ihnen ein romantisch verklärter Blick auf ein Frankreich der Mitte des vergangenen Jahrhunderts. So wie es sich der Betrachter von außen eben vorstellt. Oder doch ein paar Jahrzehnte früher oder später? So genau ist das bei Anderson nicht. Es ist jedenfalls eine Welt, die im Untergehen begriffen ist. Ein gedrucktes Magazin mit ausführlichen ausufernden Reportagen wird in nicht allzu ferner Zukunft der Vergangenheit angehören.

The French Dispatch ist ein handwerklich einwandfreier Film. Hochgradig artifiziell. Ennui-sur-Blasé (Andersons Wortkreationen kennen kein Limit) ist der Name des Ortes, in dem The French Dispatch spielt. Wie im Minimundus ist hier alles auf engstem Raum hineingepackt. Dorf und Großstadt zugleich. Ein Konglomerat aus großen Namen, Stilmitteln und Verweisen. Es ist aber eine Überfrachtung die beim erstmaligen Anschauen überfordert. Wie bei einem Wimmelbild, nur dass man nicht entscheiden kann, wie lange man in einer Szene verweilen darf und auch zurückblättern ist nicht möglich. Nach dem Trailer fragt man sich, wie das alles wohl in einem einzigen Film zusammenkommen soll. Nach knappen 107 Minuten erkennt man, was für ein schwieriges Unterfangen das tatsächlich ist.


THE FRENCH DISPATCH of the Liberty, Kansas Evening Sun ★★★½
Komödie, 2021

Regie Wes Anderson
Drehbuch Wes Anderson
Kamera Robert D. Yeoman
Schnitt Andrew Weisblum
Musik Alexandre Desplat
Mit Bill Murray, Tilda Swinton, Frances McDormand, Timothée Chalamet, Jeffrey Wright, Owen Wilson, Adrien Brody, uvm.


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