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Die Musicalverfilmung In The Heights nach einer Vorlage von Lin-Manuel Miranda (Hamilton) macht das, was das US-Kino am besten kann: das Kino zu einem Ort der Träume und großen Gefühle. Zweieinhalb Stunden reihen sich großartige Choreographien und Gesangsnummern, die ins Ohr gehen, aneinander. Dabei tritt eine Bevölkerungsgruppe ins Rampenlicht, die sonst im Verhältnis zu ihrem Anteil in der Gesamtbevölkerung in der Öffentlichkeit stark unterrepräsentiert ist.

Darum geht es

Usnavi de la Vega (Anthony Ramos) führt durch die Handlung. Er erzählt von Manhattans nördlichstem Stadtteil, den Washington Heights. Hier machen Hispanics und Latinos etwa 70% der Gesamtbevölkerung aus. Die Geschichte dreht sich um eine Straßenkreuzung, an der Usnavi einen kleinen Lebensmittelladen besitzt. Sein Cousin Sonny (Gregory Diaz IV) hilft ihm bei der Arbeit. Direkt in der Nachbarschaft leitet Kevin Rosario (Jimmy Smits) ein Taxiunternehmen und Daniela (Daphne Rubin-Vega) einen Beautysalon. Sie steht kurz davor, wegen der zu hohen Mieten in die Bronx zu übersiedeln. Kevins Tochter Nina (Leslie Grace) hat das Heimweh gerade aus Stanford Universität zurückgebracht.

Als Usnavi die Möglichkeit erhält, die Überreste des Hauses seines Vaters zu erwerben, spielt er mit dem Gedanken in die Dominikanische Republik zu ziehen. Da ist aber auch noch Vanessa (Melissa Barrera), in die er verknallt ist. Sie träumt davon Modedesignerin zu werden. Auch sein Jugendfreund Benny (Corey Hawkins) macht ihm die Entscheidung nicht leicht. Zu stark ist die Bindung an seine Freunde. Sonny, den er zu gerne mit nehmen würde, ist zudem ein sogenannter Dreamer. Er lebt ohne offiziellen Aufenthaltstitel in den USA und kann das Land nicht einfach so verlassen.

Als bekannt wird, dass jemand aus Washington Heights im Lotto gewonnen hat und der Schein aus Usnavis Laden stammt, beginnen alle von einer hoffnungsvollen Zukunft zu träumen.

Selfempowerment anstelle von Resignation.

Kommentar

Irgendwann kommt der Moment für Jugendliche in den USA, da würden sie gerne den Führerschein machen oder auf einer Universität studieren. Einigen bleibt aber beides verwehrt. Obwohl sie oft schon seit frühester Kindheit im Land sind, haben sie keinen Aufenthaltstitel, da ihre Eltern illegal eingereist sind. Man nennt sie Dreamer. Barack Obama hat sie per Dekret zumindest vorübergehend vor der Abschiebung schützen wollen, Donald Trump widerrief es (was der Oberste Gerichtshof später seinerseits wieder beanstandete). Eine Kundgebung für diese Regelung ist Teil von In The Heights und eine der wenigen Veränderungen, die Lin-Manuel Miranda an seinem Broadway Erfolgsmusical aus 2005 für die Leinwandadaption vorgenommen hat.

Hispanics und Latinos bilden in den USA einen Bevölkerungsanteil von rund 19%. Sie sind die größte Minderheit. Gleichzeitig wurde 2019 nur ein Anteil von 4,9% an Sprechrollen in Filmen mit dieser Bevölkerungsgruppe besetzt. Ein krasses Ungleichgewicht. Das ändern Miranda und Regisseur Jon M. Chu (Crazy Rich Asians) nun zumindest einmalig. Gleich ein ganze Reihe von großartigen Schauspielerinnen und Schauspielern, die einem größeren Publikum bisher unbekannt waren, treiben die Handlung mit Elan und Charme voran. Anthony Ramos, Melissa Barrera und Leslie Grace: man wird von ihnen noch hören. Olga Merediz hat als Abuela hat einen großen herzzerreißenden Auftritt.

In the Heights reißt uns schon in die zehnminütigen Eröffnungssequenz mit, hebt uns in den Himmel und trifft mitten ins Herz. Man spürt die drückende sommerliche Hitze und eine unglaubliche Energie, die von der Leinwand strömt. Sex-Appeal trifft auf Self-Empowerment. Das musikalische Talent von Autor, Komponist und Sänger Lin-Manuel Miranda ist ein Glücksfall. Die Inszenierung ist zwar etwas konventionell ausgefallen und erinnert sehr an die klassischen Hollywood Musicals. Aber was solls, wir bekommen genau das Richtige, um unsere Lebensgeister wieder zu wecken. Bereits beim ersten Mal im Kino möchte man fast mitsingen. Also, auf ein zweites Mal!

In the Heights
Musical, USA 2021

Regie Jon M. Chu
Drehbuch Quiara Alegría Hudes
Kamera Alice Brooks
Schnitt Myron Kerstein
Musik Lin-Manuel Miranda
Mit Anthony Ramos, Melissa Barrera, Stefanie Beatriz, Jimmy Smits, Leslie Grace, Dascha Polanco, Olga Merediz


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