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Ein großes Filmwunder mit einem zündholzschachtelkleinen Protagonisten beschert uns die Produktionsfirma A24. Es ist eine recht absurde Ausgangslage. Wie soll eine winzige sprechende Muschel mit Füßen und einem großen Auge unsere Aufmerksamkeit erwecken? Ja, das funktioniert und zwar ziemlich gut. Die Fake-Stop-Motion-Dokumentation Marcel The Shell With Shoes On von Dean Fleischer-Camp und Jenny Slate ist eine Sternstunde des Geschichtenerzählens.

Darum geht es

Der Dokumentarfilmer Dean zieht nach einer Trennung in ein AirBNB Haus. Dort entdeckt er, dass das Haus von einer sprechenden Muschel und deren Großmutter bewohnt wird. Dean beginnt den Alltag von Marcel der Muschel zu filmen. Es stellt sich heraus, dass mit dem Auszug der Vormieter auch sämtliche Verwandte der Muscheln verschwunden sind.

Dean stellt erste Videos online und rund um den von der Einsamkeit geplagten Marcel entwickelt sich bald ein Internetphänomen. Sogar die Produzenten von Marcels Lieblingssendung 60 Minutes werden auf ihn aufmerksam. Durch den Auftritt in der Talkshow nimmt das Leben von Marcel eine entscheidende Wendung.

Marcel in seiner Vorratskammer und einer Rutsche im Hintergrund (Marcel The Shell with Shoes on, USA 2022)

Kommentar

Dem Film gehen drei Kurzfilme voran, die auf Youtube verfügbar sind (hier, hier und hier). Mit dem ersten Film 2010 konnten Dean Fleischer-Camp und Jenny Slate schon auf Festivals reüssieren. Die Beiden haben sich Marcel ausgedacht und Slate leiht ihm ihre Stimme. Diese hohe verletzliche, weinerliche Stimme ist auch das, was den Charakter der Muschel massgeblich prägt. Sie läßt uns an seinem Gefühlsleben teilhaben und binnen weniger Momente hat Marcel alle Sympathien auf seiner Seite.

It’s pretty much common knowledge, that it takes 20 shells to have a community.

Marcel in MARCEL THE SHELL WITH SHOES ON

Marcel ist von Einsamkeit geplagt. Seine Großmutter zeigt erste Anzeichen von Vergesslichkeit. Vielleicht ist das für manche zu dick aufgetragen. Das Ganze ist schon sehr sehr rührend aber irgendwie kann man dem Winzling nicht Wiederstehen. Außerdem ist es ein Feelgood Movie und den können wir gerade gut gebrauchen.

In liebevoll gestalteten Sets gibt uns Marcel einen Einblick in eine Welt, die uns auf den ersten Blick verborgen bleibt. Der Clou an der Geschichte ist, dass Fleischer-Camp in seiner Dokumentation so tut, als wäre das alles echt und Marcel eine reale Zufallsentdeckung in seinem Miethaus.

Erfreulicherweise ist 2022 ein gutes Jahr für Stop-Motion. The House, Del Toro’s Pinocchio, Wendell &Wild (alle Netflix) huldigen eine der großartigsten Tricktechniken überhaupt, die uns immer wieder in Staunen versetzen kann. Selbst wenn die technischen Parameter bekannt sind, so bleibt immer etwas Magisches in den Bildern. Für das Publikum übt Stop-Motion auch nach 100 Jahren immer noch eine große Faszination aus.

Marcel the Shell with Shoes on ist in Österreich leider nur einige wenige Mal im Kino zu sehen und eine Streamingauswertung ist auch nicht in Sicht. A24 hat einen Deal mit AppleTV+. Es wäre also möglich, dass die Mockumentary irgendwann dort verfügbar sein wird.

Ein Film über die Wichtigkeit von Gemeinschaft und auf den „sowas hab ich noch nie gesehen“ tatsächlich zutrifft.

MARCEL THE SHELL WITH SHOES ON
Mockumentary, USA 2022

Regie Dean Fleischer-Camp
Drehbuch Dean Fleischer-Camp, Jenny Slate, Nick Paley,
Kamera Bianca Cline
Schnitt Dean Fleischer Camp, Nick Paley
Musik Disasterpeace
Mit Jenny Slate (Stimme), Isabella Rossellini (Stimme), Dean Fleischer Camp


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