ROTER HIMMEL, D 2023 Regie Christian Petzold
Drama Ab 14 Länge 103 Min.
Mit ROTER HIMMEL hat sich Christian Petzold selbst übertroffen. Seine Geschichte über einen jungen Schriftsteller, der sich mit einem Freund in ein abgelegenes Haus an der Ostsee zum Arbeiten zurückziehen möchten und dort dann aber auf eine Frau trifft und nicht die erhoffte Ruhe vorfindet, ist reich an Verweisen an große Meister des Kinos. Unter der Sommersonne ist die Begierde zueinander groß. Dabei ist es Petzold wichtig den Begehrenden und nicht das Objekt der Begierde zu zeigen. Ein Sommerfilm voller Suspense im hitchcockschen Sinne und einer Portion Wiener Grand.
Kurzkritik
Es gibt Filme, die scheinen den gesamten Kosmos des Kinos regelrecht zu absorbieren, um dabei etwas Neues entstehen zu lassen. Christian Petzold ist mit ROTER HIMMEL neuerlich ein Meisterwerk gelungen. Einmal mehr und doch anders als sonst, nicht zuletzt, weil nun leichtfüssiger und für ein größeres Publikum somit leichter zugänglich. Ein Sommerfilm an der Ostsee, es knistert nicht nur zwischenmenschlich, sondern auch im trockenen Gebüsch, wo sich in der Ferne Unheil ankündigt.
Thomas Schubert, als Schriftsteller Leon, der in der Abgeschiedenheit versucht, an seinen erfolgreichen Erstlingsroman anzuknüpfen, war eine Rollenbesetzung in letzter Sekunde. Natürlich kannte er den Regisseur, aber nicht persönlich. Ein Glücksfall, wie sich jetzt herausstellt. Es dürfte für Schubert der internationale Durchbruch sein. Bei der Berlinale gewann der Film den Preis der Jury und als Darsteller wurde er heuer für den Europäischen Filmpreis nominiert.
Ruhe findet er im Haus der Eltern seines Freundes Felix (Langston Uibel) allerdings nicht. Eine junge Frau stört die Konzentration. Paula Beer als Nadja erleben wir zuerst nur aus der Distanz, wenn Leon sie aus der Ferne beobachtet. Es ist fast so, als wäre sie nur zufällig am Set. Immer wieder versucht Leon einen Blick zu erhaschen und verpasst sie dann doch. Wenn es dann zum ersten Zusammentreffen kommt, sticht sofort der Wiener Grand zu. Leon blockiert und zeigt ihr die kalte Schulter, obwohl er natürlich sehr neugierig ist (und man spürt regelrecht, wie der volle Kinosaal sagen möchte: Komm, stell dich nicht so an!).
Nadja, die auf der Promenade Eis verkauft, scheint mit dem Rettungsschwimmer Devid (Enno Treps) eine Affäre zu haben. Das wurmt Leon unheimlich und um all die Gefühle, die in der Junihitze flimmern, gibt es eine Anspannung. Der Himmel wird sich rot färben und es wird Asche regnen. Bis dahin ist ROTER HIMMEL aber auch sehr unterhaltsam. Es ist eine Art von Film, die es im deutschen Film eigentlich nicht gibt, wo in der Hitze des Sommers Menschen aneinander geraten und die Geschichte zwischen humorvollen kleineren Reibereien und anfangenden gröberen Konflikten jongliert.
Christian Petzold schrieb das Drehbuch während eines Lockdowns, als er auch selbst erkrankte. Auch wenn von der Pandemie nichts zu sehen ist, hat sie die Drehbuchentwicklung doch stark beeinflusst, wie Petzold erzählt. Geblieben ist aber ein Rückzugsort in Form eines Hauses auf einer Waldlichtung, der aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Die Katastrophe nähert sich aber man sieht sie nicht.
ROTER HIMMEL wurde weder für den Deutschen Filmpreis berücksichtigt, noch war er in der Vorauswahl der für die Deutsche Filmakademie der 26 besten Filme des Jahres. Das sorgte für große Kritik und stellte diese Institutionen grundsätzlich in Frage.
Verfasst im Rahmen der Viennale 2023.
In Deutschland ist der Film bereits auf der Streamingplattform Mubi verfügbar (Österreich wird folgen).
Link zum Stadtkino Filmverleih.
ROTER HIMMEL, D 2023
Drama Ab 12 Länge 103 Min.
Regie und Drehbuch Christian Petzold Kamera Hans Fromm Schnitt Bettina Böhler
Mit Thomas Schubert, Paiula Beer, Langston Uibel, Enno Treps, Matthias Brandt
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